Home GerichtsentscheidungBGH BGH, Beschluss v. 11.10.2017, I ZB 12/17 | Schiedsverfahren: Vertretungsorgane als Schiedsrichter

BGH, Beschluss v. 11.10.2017, I ZB 12/17 | Schiedsverfahren: Vertretungsorgane als Schiedsrichter

by Jan Dwornig

 

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 11. Oktober 2017, I ZB 12/17

Vorinstanz:

OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 02.02.2017, 26 Sch 6/16

Relevante Normen:

ZPO § 1035

Gegenstandswert:

EUR 40.000,00

Leitsatz:

Mitglieder des Vertretungsorgans der Parteien sind grundsätzlich vom Schiedsrichteramt ausgeschlossen.

Gründe:

I. Die Parteien schlossen am 22. Februar 2011 einen Rahmenvertrag über Neubau und Betrieb von Kliniken in Bad H. und U. . In § 17 Nr. 2 des Vertrags trafen die Parteien folgende Regelungen:

Die Vertragsparteien bilden einen fünfköpfigen Vertragsbeirat. Der Vertragsbeirat wird von dem Auftraggeber [der Antragsgegnerin] und dem Auftragnehmer [der Antragstellerin] mit jeweils zwei Vertretern besetzt. Die Vertragsparteien entsenden jeweils ihren Geschäftsführer und ihren Technischen bzw. Objektleiter in den Vertragsbeirat. Der Auftragnehmer kann anstelle seines Technischen bzw. Objektleiters auch einen entsprechenden Mitarbeiter eines Nachunternehmers entsenden. Ein fünftes Beiratsmitglied und zugleich Vorsitzender des Vertragsbeirats wird von den entsandten Mitgliedern des Vertragsbeirats einvernehmlich bestimmt. Der Vorsitzende muss die Befähigung zum Richteramt nach § 5 DRiG haben. …

Nach § 17 Nr. 3 des Vertrags können die Vertragsparteien dem Vertragsbeirat einen Streitgegenstand oder eine Fragestellung vortragen. Gelangen sie mit dem Vertragsbeirat binnen einer Frist von zwei Wochen nicht zu einer einvernehmlichen Lösung, hat der Vertragsbeirat nach § 17 Nr. 4 des Vertrags den Streit zu entscheiden. Nach § 17 Nr. 6 des Vertrags wird die Entscheidung des Vertragsbeirats endgültig bindend, wenn nicht innerhalb von vier Wochen nach ihrer Verkündung eine der Vertragsparteien den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten beschreitet.

Die Parteien bestellten einvernehmlich den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts a.D. B. zum Vorsitzenden des Vertragsbeirats. Unter Einbeziehung der Nachunternehmerin der Antragstellerin schlossen sie mit dem durch den Vorsitzenden vertretenen Vertragsbeirat am 15. Dezember 2011 einen ergänzenden Vertrag zur Tätigkeit des Vertragsbeirats, der unter anderem folgende Regelungen enthält:

3. Vertragsbeirat entscheidet als Schiedsgericht

Zu § 17 Ziffer 4 des PPP-Rahmenvertrags

… Der Vertragsbeirat hat den Streit als Schiedsgericht gemäß §§ 1025 ff. ZPO zu entscheiden.

8. Beratung/Unterschriften Schiedsspruch

Der Schiedsspruch … wird gemäß § 17 Ziffer 5 …-Rahmenvertrag von allen fünf Beiratsmitgliedern (mit Mehrheit) beschlossen. Die nachfolgende schriftliche Begründung des Spruchs wird vom Vorsitzenden gefertigt und (angesichts des sehr engen Zeitrahmens) nur von ihm unterschrieben und sodann den Parteien, soweit durch Rechtsanwälte vertreten, diesen, im Übrigen den benannten Zustellungsbevollmächtigten (per Empfangsbekenntnis EB) zugestellt.

Durch als „Teil-Schiedsurteil“ bezeichnete Entscheidung vom 3. Februar 2016 verurteilte der Vertragsbeirat die Antragsgegnerin zur Zahlung von 140.523,89 € sowie in näher bezeichneter Weise zur Auskunft an die Antragstellerin. Bei der Entscheidung wirkten neben dem Vorsitzenden die Beisitzer Dr. H., Br., E. und S. mit. Dr. H. ist Mitgeschäftsführerin der Antragsgegnerin; neben ihr war seit Juli 2014 Frau D. als weitere Geschäftsführerin bestellt. Der Beisitzer E., ist einer der beiden Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft der Antragstellerin und der Beisitzer S. Geschäftsführer einer Nachunternehmerin der Antragstellerin.

Die Antragsgegnerin griff die Entscheidung des Vertragsbeirats vom 3. Februar 2016 mit Klageerweiterung vom 2. März 2016 in einem von ihr wegen früherer Entscheidungen des Vertragsbeirats vor dem Landgericht Frankfurt am Main geführten Rechtsstreit hinsichtlich zweier Positionen in Höhe von insgesamt 8.267,11 € an. Nachdem die Antragsgegnerin den Kostenvorschuss zunächst nicht eingezahlt hatte, wurde der klageerweiternde Schriftsatz der Antragstellerin am 18. April 2016 zugestellt.

Durch als „Schiedsspruch“ bezeichnete Entscheidung des Vertragsbeirats vom 18. Mai 2016 wurde die Antragsgegnerin verpflichtet, Anwaltskosten der Antragstellerin in Höhe von 35.427,50 € in einem durch „Schiedsspruch“ vom 23. Juli 2015 abgeschlossenen Hauptsacheverfahren vor dem Vertragsbeirat zu zahlen. Diese Entscheidung erging aufgrund einer Beratung des Vorsitzenden des Vertragsbeirats mit den Beisitzern S. und E. am 18. Mai 2016 ohne Mitwirkung der Beisitzerinnen Dr. H. und D., die zu dem zuvor von allen Beisitzern dem Vorsitzenden bestätigten Beratungstermin nicht erschienen waren.

Die Antragsgegnerin wandte sich mit Klageschrift vom 21. Juni 2016 vor dem Landgericht Frankfurt am Main gegen die Entscheidung des Vertragsbeirats vom 18. Mai 2016.

Im vorliegenden Verfahren begehrt die Antragstellerin die Vollstreckbarerklärung des „Teil-Schiedsurteils“ vom 3. Februar 2016 und des „Schiedsspruchs“ vom 18. Mai 2016. Die Antragstellerin macht geltend, die Schiedssprüche seien endgültig bindend geworden, weil die Antragsgegnerin jeweils die Klagefrist von vier Wochen ab Verkündung der Entscheidung des Vertragsbeirats versäumt habe.

Das Oberlandesgericht hat die Anträge auf Vollstreckbarerklärung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin, deren Zurückweisung die Antragsgegnerin beantragt.

II. Das Oberlandesgericht hat angenommen, bei den Entscheidungen des Vertragsbeirats handele es sich nicht um in einem schiedsrichterlichen Verfahren im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO erlassene Schiedssprüche, die nach § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO für vollstreckbar erklärt werden könnten. Dazu hat es ausgeführt:

Der Vertragsbeirat sei wegen seiner personellen Zusammensetzung bei Erlass der Entscheidungen nicht als Schiedsgericht im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO tätig geworden. Als unverzichtbarer Bestandteil jeder rechtsstaatlichen Gerichtsbarkeit gelte auch im Schiedsverfahren der Grundsatz, dass niemand in eigener Sache richten dürfe. Danach könne weder eine Partei selbst noch ihr gesetzlicher Vertreter Schiedsrichter sein; bei juristischen Personen seien die Mitglieder ihrer Vertretungsorgane vom Schiedsrichteramt ausgeschlossen. Eine Ausnahme davon sei lediglich für den Fall einer nach Entstehung eines konkreten Streitfalls geschlossenen Schiedsvereinbarung für ein Mitglied eines mehrköpfigen Vertretungsorgans zugelassen worden, das zur Partei des Schiedsverfahrens „nur lose Verbindung“ gehabt habe. Die notwendige Unparteilichkeit bei den Entscheidungen des Vertragsbeirats sei schon deshalb nicht gewährleistet, weil ihm die jeweiligen Mitgeschäftsführer der streitbeteiligten Parteien Dr. H. und E. angehörten. Innerhalb eines mehrköpfigen Gremiums schließe bereits die Stellung eines Mitglieds als organschaftlicher Vertreter einer Partei die für eine schiedsrichterliche Entscheidung notwendige Unparteilichkeit aus. Darüber hinaus seien bei der Entscheidung vom 18. Mai 2016 beide für die Antragsgegnerin bestellten Geschäftsführerinnen Mitglieder des Vertragsbeirats gewesen. Die fehlende Unparteilichkeit der Mitglieder des Vertragsbeirats könne nicht dadurch kompensiert werden, dass sich jeweils zwei Mitglieder als Interessenvertreter der Parteien gleichgewichtig gegenüberstünden und der von den Parteien einvernehmlich bestimmte Vorsitzende eine unparteiliche Stellung innehabe. Das aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Verbot des Richtens in eigener Sache stehe nicht zur Disposition der Parteien. Die Möglichkeit, die Entscheidungen des Vertragsbeirats innerhalb bestimmter Frist vor den ordentlichen Gerichten anzufechten, sei für den rechtlichen Charakter der vom Vertragsbeirat getroffenen Entscheidungen unerheblich und könne den Verstoß gegen das Verbot des Richtens in eigener Sache nicht in Frage stellen.

III. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 1065 Abs. 1 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 4 Fall 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§ 574 Abs. 2, § 575 ZPO). In der Sache hat sie keinen Erfolg.

1. Nach Ansicht der Rechtsbeschwerde gilt der Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit zwar auch im Schiedsverfahren. Jedoch liege nicht zwangsläufig in jedem Fall, in dem die Parteien einen organschaftlichen Vertreter zum Mitglied eines mehrköpfigen Schiedsgerichts bestimmten, ein Verstoß gegen diesen Grundsatz vor. Vielmehr sei eine Beurteilung des Einzelfalls unter Berücksichtigung der jeweiligen konkreten Umstände erforderlich. Danach bestünden keine Bedenken gegen ein aus mehreren Personen gebildetes Schiedsgericht, bei dem die Beziehungen einzelner Schiedsrichter zu den Parteien im Ergebnis gleich stark seien, wenn ein weiteres „neutrales“ Mitglied den Vorsitz innehabe, dem im Fall des Dissenses die entscheidende Stimme zukomme.

2. Diese Erwägungen verhelfen der Rechtsbeschwerde nicht zum Erfolg.

a) Wie die Rechtsbeschwerde nicht verkennt, gilt der Grundsatz, dass niemand in eigener Sache richten darf, als unverzichtbarer Bestandteil jeder rechtsstaatlichen Gerichtsbarkeit auch im Schiedsverfahren (BGH, Beschluss vom 28. März 2012 III ZB 63/10, BGHZ 193, 38 Rn. 6 mwN). Richterliche Tätigkeit untersteht dem Gebot der Distanz und Neutralität (BVerfGE 21, 139, 145 f.; 42, 64, 78). Es gehört zu ihrem Wesen, dass sie von unbeteiligten Dritten ausgeübt wird (st. Rspr.; vgl. etwa BVerfGE 3, 377, 381). Für die Schiedsgerichtsbarkeit, die ihrer Funktion und Wirkung nach materielle Rechtsprechung ist, besteht insoweit im Grundsatz keine Ausnahme (BGH, Urteil vom 7. Juni 2016 KZR 6/15, BGHZ 210, 292 Rn. 24).

Dementsprechend hat bereits das Reichsgericht angenommen, eine Schiedsgerichtsabrede sei mit dem Wesen des Schiedsvertrags sowie der öffentlichen Ordnung und den guten Sitten unvereinbar und unwirksam, wenn eine Partei, sei es auch nur als Beisitzer, zur Mitwirkung bei der Entscheidung des Schiedsgerichts berufen wird, da niemand in eigener Sache richten könne (RGZ 93, 288). Dasselbe gilt nicht nur für die zur gesetzlichen Vertretung einer juristischen Person berufenen Einzelpersonen in einer Sache, in der die von ihnen vertretene juristische Person Partei ist, sondern ebenso im Fall der gesetzlichen Vertretung einer juristischen Person durch mehrere natürliche Personen für jedes einzelne Mitglied des Vertretungsorgans (vgl. RGZ 93, 288, 289). Dafür ist maßgeblich, dass jedes Mitglied des Vertretungsorgans auch bei notwendiger gemeinschaftlicher Vertretung das Recht und die Pflicht hat, das Interesse der von ihm mitvertretenen juristischen Person wahrzunehmen, so dass es als Schiedsrichter dem zu entscheidenden Streit nicht wie ein unbeteiligter Dritter gegenübersteht. Dieser Ausschluss der Mitglieder des Vertretungsorgans der Parteien vom Schiedsrichteramt entspricht, soweit ersichtlich, der einhelligen Meinung in der Literatur (MünchKomm.ZPO/Münch, 5. Aufl., § 1036

Rn. 9 f.; Musielak/Voit, ZPO, 14. Aufl., § 1036 Rn. 5; Zöller/Geimer, ZPO, 31. Aufl., § 1035 Rn. 3; Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 1036 Rn. 7; Wieczorek/Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 1036 Rn. 31; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl., Kap. 9 Rn. 6). Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob infolge der Bestimmung zur Geschäftsführung berufener Mitglieder eines Vertretungsorgans einer Partei als Schiedsrichter die konkrete Gefahr besteht, dass deren eigene Handlungen unmittelbarer Beurteilungsgegenstand ihrer schiedsrichterlichen Tätigkeit werden. Liegt eine solche Gefahr jedoch wie im Streitfall vor, sind Bedenken gegen die Unabhängigkeit des Schiedsgerichts umso mehr begründet.

b) Ohne Erfolg beruft sich die Rechtsbeschwerde demgegenüber für ihren Standpunkt, dass die organschaftlichen Mitglieder der Parteien des Schiedsverfahrens von der Mitwirkung im Schiedsgericht nicht ausgeschlossen waren, auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Danach finden die für staatliche Gerichte selbstverständlichen und unverzichtbaren Verfahrensgrundsätze im schiedsrichterlichen Verfahren nicht ausnahmslos und ohne Unterschied Anwendung. Das Erfordernis der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der zur Streitentscheidung berufenen Personen hat im Schiedsgerichtsverfahren nicht ganz dieselbe Bedeutung wie im Verfahren vor den staatlichen Gerichten, weil es nur dem Schutz der Parteien dient, nicht auch dem öffentlichen Interesse. Je nach dem Inhalt der Schiedsklausel und den Umständen, die für die Einsetzung des Schiedsgerichts und die Ernennung der Schiedsrichter bestimmend gewesen sind, kann eine strengere oder großzügigere Handhabung des Grundsatzes der Überparteilichkeit des Schiedsrichters gerechtfertigt sein (BGH, Urteil vom 3. Juli 1975 III ZR 78/73, BGHZ 65, 59, 63 bis 65).

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Bundesgerichtshof zwar keine Verletzung des Grundsatzes richterlicher Unparteilichkeit in einem Fall angenommen, in dem die Parteien nach Entstehung eines konkreten Streitfalls für dessen Entscheidung gemeinsam einen Einzelschiedsrichter bestellt hatten, der trotz seiner Stellung als mitzeichnungsberechtigtes Mitglied des Vertretungsorgans der einen Partei zu dieser eine in Wirklichkeit nur lose Verbindung hatte (BGHZ 65, 59, 65 bis 67). Dafür war aber maßgeblich, dass an die Unparteilichkeit des Schiedsrichters bei einem Schiedsvertrag über künftige Rechtsstreitigkeiten andere Maßstäbe anzulegen sind als an einen Schiedsvertrag, der erst geschlossen wird, wenn ein konkreter Streit bereits entstanden ist und die Parteien nunmehr hierfür ein Schiedsgericht einsetzen (BGHZ 65, 59, 65). In letzterem Fall liegen Bedeutung und Tragweite des Schiedsvertrags klar zuta-ge. Die einer rechtlichen Klärung und Entscheidung bedürftigen Streitpunkte stehen genau fest, jeder Teil vermag seine Chancen und Risiken im Einzelnen zu überblicken und abzuschätzen. Unter solchen Umständen erscheint es an-gebracht, dem mit voller Kenntnis seiner Tragweite frei gebildeten Parteiwillen weitestmöglichen Raum zu geben. Der Bundesgerichtshof hat betont, dass die-se Erwägungen für den seinerzeit entschiedenen Fall galten, in dem das Schiedsgericht mit einem (oder mehreren) von den Parteien gemeinsam bestellten Schiedsrichter(n) besetzt war. Welche Grundsätze in anderen Fällen Anwendung finden (etwa: Auswahl des Schiedsrichters durch eine Partei oder Besetzung des Schiedsgerichts mit mehreren Schiedsrichtern, die teils von der einen, teils von der anderen Partei bestellt werden), hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich offen gelassen (BGHZ 65, 59, 67). Schließlich hat der Bundesgerichtshof dem Umstand, dass der alleinige Schiedsrichter trotz seiner Stellung als mitzeichnungsberechtigtes Mitglied des Vertretungsorgans der Klägerin zu dieser in Wirklichkeit nur lose Verbindung hatte, erhebliche Bedeutung beige-messen (BGHZ 65, 59, 67).

Der Streitfall ist demgegenüber grundlegend anders gelagert. Die Parteien haben bereits bei Abschluss ihres auf langfristige Zusammenarbeit ausgerichteten Rahmenvertrags für den Neubau und Betrieb von Kliniken in dessen § 17 den Vertragsbeirat als vorbehaltlich der fristgemäßen Anrufung der staatlichen Gerichte grundsätzlich streitentscheidendes Gremium für alle Meinungsverschiedenheiten unter sich vorgesehen. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses war naturgemäß noch in keiner Weise absehbar, wie sich das Projekt in der Bau- und der daran anschließenden langen Betriebsphase entwickeln würde und welche Art und welcher Umfang von Streitigkeiten der Parteien auftreten mochte. Die Parteien haben sich auch nicht gemeinsam auf einen oder mehrere Schiedsrichter geeinigt, sondern jeweils allein für sich zwei Ver-treter in den Vertragsbeirat entsandt, wobei mindestens einer von diesen ein Geschäftsführer der jeweiligen Partei sein musste. Die Antragstellerin macht nicht geltend, dass die entsandten Geschäftsführer zu ihrer Partei in Wirklich-keit jeweils nur lose Verbindung hatten. Dafür ist auch nichts ersichtlich. Es ist daher davon auszugehen, dass die Geschäftsführer entsprechend den Bestim-mungen des Gesellschaftsrechts tatsächlich die Geschäftsleitung ausübten.

Damit besteht im Gegensatz zu dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall vorliegend kein Anlass, an die Unparteilichkeit der Schiedsrichter weniger strikte Anforderungen zu stellen.

c) Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, eine Entscheidung zugunsten einer der Parteien sei nicht nur durch das Gleichgewicht der Stimmen der von diesen jeweils entsandten Vertreter ausgeschlossen, sondern darüber hinaus auch dadurch, dass mit dem Vorsitzenden eine weitere Person Mitglied des Vertragsbeirats sei, die in keiner Beziehung zu den Parteien stehe.

Zwar verstößt die Vereinbarung, dass jede der Parteien für das Verfahren jeweils einseitig einen (oder mehrere) Schiedsrichter bestellt, nicht gegen das auch für Schiedsgerichte geltende Gebot überparteilicher Rechtspflege (BGH, Beschluss vom 10. März 2016 I ZB 100/14, juris Rn. 15). Müssen die jeweils von den Parteien in gleicher Zahl ernannten Schiedsrichter sich auf einen Vorsitzenden einigen, entspricht eine solche Vereinbarung grundsätzlich der in § 1035 Abs. 3 Satz 2 ZPO bei Fehlen einer Parteivereinbarung für die Bildung eines dreiköpfigen Schiedsgerichts getroffenen Regelung. Zwar wird durch die einseitige Schiedsrichterbestellung eine persönliche Beziehung zwischen dem Schiedsrichter und der ihn ernennenden Partei geschaffen, die die Überparteilichkeit des zu bildenden Schiedsgerichts durchaus in Frage stellen kann. Besteht jedoch ein entsprechendes Gegengewicht in Form eines von der anderen Partei oder von einem Dritten oder einem staatlichen Gericht ernannten Schiedsrichters, kann sich die lediglich auf seine unmittelbare Wahl durch eine Partei zurückzuführende Beziehung des Schiedsrichters zu dieser Partei nicht in einem Maße auswirken, dass der Eindruck entstehen könnte, dem ganzen Schiedsgericht fehle die notwendige Überparteilichkeit (BGH, Beschluss vom 10. März 2016 I ZB 100/14, juris Rn. 15). An dem in diesem Zusammen-hang entscheidenden Merkmal der lediglich auf die unmittelbare Wahl durch eine Partei zurückzuführenden Beziehung des Schiedsrichters zu dieser Partei fehlt es aber grundsätzlich bei Schiedsrichtern, die Mitglieder des Vertretungsorgans einer Partei sind. Die Geschäftsführerinnen der Antragsgegnerin kommen danach auch im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur paritätischen Besetzung von Schiedsgerichten im Streitfall nicht als Schiedsrichter in Betracht.

d) Ohne Erfolg beruft sich die Rechtsbeschwerde auf im Arbeits- und Sozialrecht für die Zusammensetzung streitschlichtender Gremien getroffene Regelungen. Soweit gemäß § 103 Abs. 1 Satz 1 ArbGG ein Schiedsgericht in Arbeitsstreitigkeiten aus einer gleichen Zahl von Arbeitnehmern und Arbeitgebern besteht, kann dennoch weder ein Organ noch ein vertretungsberechtigtes Mitglied einer Partei Schiedsrichter sein. Das Verbot des Richtens in eigenen Angelegenheiten gilt hier in gleicher Weise wie im Schiedsverfahren nach der Zivilprozessordnung (vgl. Germelmann in Germelmann/Matthes/Prütting, Arbeitsgerichtsgesetz, 8. Aufl., § 103 Rn. 10). Bei der Einigungsstelle nach § 76 BetrVG handelt es sich um ein innerbetriebliches Gremium, das von vornherein nicht mit einem Schiedsgericht für zivilrechtliche Streitigkeiten unter voneinander unabhängigen juristischen oder natürlichen Personen vergleichbar ist. Zu-dem unterliegen Sprüche der Einigungsstelle einer weitergehenden gerichtlichen Überprüfung als Schiedssprüche im Sinne von § 1055 ZPO (vgl. etwa Kania in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 17. Aufl., § 76 BetrVG Rn. 28 bis 32). Die Schiedsstellen in der Pflegeversicherung gemäß § 76 SGB XI sind ein Element kollektiver, branchenspezifischer Selbstregulierung, durch das allgemeine Rahmenbedingungen für die Leistungserbringung in der Pflegeversicherung bestimmt werden können. Damit kommt diesen Schiedsstellen eine andere Funktion als den Schiedsgerichten nach der Zivilprozessordnung zu, die im Einzelfall der Gewährung individuellen Rechtsschutzes in konkreten Streitigkeiten dienen. Entsprechendes gilt für das in § 89 Abs. 2 SGB V im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung vorgesehene Schiedsamt.

e) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde kommt § 1036 Abs. 2 Satz 2 ZPO im vorliegenden Zusammenhang keine Bedeutung zu. Nach dieser Vorschrift kann eine Partei einen Schiedsrichter, den sie bestellt oder an dessen Bestellung sie mitgewirkt hat, nur aus Gründen ablehnen, die ihr erst nach der Bestellung bekannt geworden sind. Bei dem Grundsatz, dass niemand in eigener Sache richten darf, handelt es sich um einen unverzichtbaren Bestandteil jeder rechtsstaatlichen Gerichtsbarkeit auch im Schiedsverfahren (BGHZ 193, 38 Rn. 6 mwN). Dieser Grundsatz steht nicht zur Disposition der Parteien. Ist eine Person als Organmitglied einer Partei von vornherein vom Schiedsrichteramt ausgeschlossen, kommt es auf ihre Ablehnung als Schiedsrichter durch die andere Partei gemäß § 1036 Abs. 2 Satz 1 ZPO und auf den etwaigen Verlust eines solchen Ablehnungsrechts nach § 1036 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht an.

Mangels Dispositionsbefugnis der Parteien über das Verbot des Richtens in eigener Sache kommt es ferner nicht darauf an, ob die Antragsgegnerin wie die Rechtsbeschwerde behauptet in der Vergangenheit bereits zahlreiche Entscheidungen des Vertragsbeirats akzeptiert hat. Handelt es sich bei dem Verbot des Richtens in eigener Sache um ein unverzichtbares rechtsstaatliches Gebot, so kann dessen Anwendung im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs nicht vom Verhalten des Antragsgegners dieses Verfahrens abhängen und unabhängig von diesem Verhalten nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

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