Home Schiedssprüche IHK Hamburg, Entscheidung v. 08.5.2013, GIX/2/Sch/1112 | Schiedsverfahren: Umsatzprovision

IHK Hamburg, Entscheidung v. 08.5.2013, GIX/2/Sch/1112 | Schiedsverfahren: Umsatzprovision

by Jan Dwornig

Entscheidung des Schiedsgerichts der Industrie- und Handelskammer Hamburg vom 8. Mai 2013, GIX/2/Sch/1112

Relevante Normen:

§ 314 BGB
§ 320 BGB
§ 535 BGB
§ 543 BGB
§ 611 BGB
§ 626 BGB
§31, 675 HGB §§ 84, 89a ZPO §§ 286, 416, 1050, 1062

Leitsatz:

1. Bei einem Vertrag über Bereitstellung und Betrieb eines Onlineshops mittels Webhosting handelt es sich um ein Dauerschuldverhältnis mit miet- bzw. leasing- nebst z. T. dienstvertraglichen oder handelsvertreterähnlichen und anfangs werkvertraglichen Elementen.

2. Auslandszeugen im Schiedsverfahren können entweder durch Schiedsparteien gestellt oder über das Amtsgericht gemäß dem Haager Beweis-Übereinkommen im Ausland vernommen werden.

3. Die vorbehaltlose Ingebrauchnahme des Onlineshops kann als Abnahme anzusehen sein; eine verspätete Fertigstellung kann der Auftraggeber nur nach Bereitstellung seiner Unterlagen (z. B. über Produkte und Preise) geltend machen.

4. Die Eröffnung eines Onlinezugangs für den Auftraggeber kann der Abkürzung der Shop-Pflege dienen.

5. Aufgrund mietrechtlicher Einordnung der im Kündigungszeitpunkt maßgeblichen, noch nicht abgeschlossenen Leistungen kann der Onlineshop- bzw. Webhosting-Vertrag wegen Zahlungsverzugs mit mehr als zwei Monatsbeträgen fristlos gekündigt werden; und zwar bei Zurverfügungstellung von virtuellen Räumen entsprechend dem für die Geschäftsraum-Miete geltenden Kündigungsrecht, einschließlich der Berechtigung des Vermieters zur Abschaltung der Versorgung.

Gründe:

Die Schiedsklage ist in der Hauptsache begründet. Der Schiedsklägerin steht gegen die Schiedsbeklagte die Schiedsklageforderung aus Umsatzbeteiligung am Onlineshop gemäß Vertrag … zu. 1. Die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien ergeben sich aus dem … zustande gekommenen Onlineshop-Vertrag. Dieser ist im Rahmen der Vertragsfreiheit wirksam und verstößt nicht gegen (zwingende) gesetzliche Vorschriften wie z. B. §§ 134, 138 BGB. Dafür dass die Schiedsklägerin allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet hätte, sind keine Anhaltspunkte vorgetragen oder aus der Vertragsgestaltung zu ersehen. Davon abgesehen wäre auch keine unangemessene Benachteiligung des Unternehmens der Schiedsbeklagten als Handelsgesellschaft (GmbH) im kaufmännischen Verkehr zu erkennen nach § 307, § 310 Abs. 1, § 14 BGB, §§ 1, 6 HGB. Es handelt sich um ein Dauerschuldverhältnis (§ 314 BGB) mit miet- bzw. leasing- nebst z. T. dienstvertraglichen oder handelsvertreterähnlichen und anfangs werkvertraglichen Elementen (vgl. §§ 535 ff BGB, §§ 611 ff BGB, §§ 84 ff HGB; BGH vom 15. November 2006 XII ZR 120/04, NJW 2007, 2394; OLG Köln vom 13. Mai 2002 19 U 211/01, CR 2002, 832; AG Charlottenburg vom 11. Januar 2002 208 C 192/01, CR 2002, 297 m. Anm. Runte; Dieselhorst/Grages, MMR 2011, 368); im Unterschied zu einem Kauf von Standard-Software (§§ 433 ff BGB) oder zu einer bloßen Geschäftsbesorgung (vgl. §§ 675 f BGB; OLG München vom 5. Dezember 2002 6 U 5770/01, NJW-RR 2003, 1423) oder zu einem im Schwerpunkt werkvertraglichen Charakter (vgl. §§ 631 ff BGB; Brandenburgisches OLG vom 22. November 2011 Kart U 4/09, MMR 2011, 368; BGH vom 28. Juli 2011 VII ZR 45/11, NJW-RR 2011, 1588; vom 24. März 2011 VII ZR 164/10, WM 2011, 1716; VII ZR 135/10, CR 2011, 528; VII ZR 134/10, Juris; VII ZR 111/10, WM 2011, 1997; vom 27. Januar 2011 VII ZR 133/10, BGHZ 188, 149: vom 4. März 2010 III ZR 79/09, BGHZ 184, 1449). Nachdem die Schiedsklägerin die Anfangsaufwendungen für die Gestaltung und Inbetriebsetzung und das mit diesen Aufwendungen verbundene Risiko übernommen hat, erhält sie anschließend für die Dauer ihrer Shop- nebst Domain-Bereitstellung und Pflege die 5% Umsatzbeteiligung. Während der Shop weiterhin der Schiedsklägerin gehört, wachsen neue Online-Kunden mit Kundendaten der Schiedsbeklagten zu. Durch diese Gestaltung wurde die Schiedsbeklagte von hohen Anfangskosten entlastet. Zugleich bewirkt die Umsatzbeteiligung ein gleichgerichtetes Interesse der Vertragsparteien an der Entstehung und Erhöhung der Umsätze sowie an einem entsprechenden Geschäftserfolg (vgl. OLG Düsseldorf vom 7. September 2009 I-16 U 62/08, Juris). … 4. Soweit die Schiedsbeklagte jetzt im Schiedsverfahren einwendet, nur eine Umsatzbeteiligung an den durch die vorgesehene Onlinewerbung generierten Umsätzen sei vereinbart worden, so ergibt sich dagegen aus dem klaren Vertragswortlaut, dass die Umsatzbeteiligung sich auf 5% „aller im Onlineshop generierten“ Umsätze beläuft. Es kommt danach nur auf die Bestellungen über den Onlineshop an und nicht auf realistisch kaum feststellbare Umstände, wie etwa der jeweilige Kunde ursprünglich geworben wurde oder was oder welche Werbung ihn zu seiner jeweiligen Bestellung bewogen hat. a) Sofern eine Partei den schriftlichen Vertragsinhalt einschränkende Vereinbarung geltend machen und damit die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Vertragsurkunde widerlegen will, obliegt dieser Partei der Beweis (entsprechend §§ 286, 416 ZPO; vgl. BGH vom 17. April 1997 I ZR 251/94, NJW-RR 1998, 32; Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 71. A., § 286 Rd. 93 „Form“, § 416 Rd. 7 „Vertragsurkunde“ m. w. N.; Geimer in Zöller, ZPO, 29. A., § 416 Rd. 10 m. w. N.). … b) Außerdem hat die Schiedsbeklagte für den … Zeugen … dessen angekündigte jetzige schweizerische Adresse nicht nachgereicht. Danach kommt es nicht mehr an auf Verfahren gemäß § 1050, § 1062 Abs. 4 ZPO und gemäß dem Haager Übereinkommen in Zivil- und Handelssachen vom 18. März 1970 (BGBl. 1977 II, s. 1452, 1472) i. V. m. Beitritt und Vorbehaltserklärungen der Schweiz mit Wirkung ab 1995 (BGBl. II 1995, 532 ff). Im Übrigen hat die Schiedsbeklagte weder ein entsprechendes Verfahren beantragt noch angeboten, den außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets ansässigen Zeugen selbst zu stellen. c) Davon abgesehen hat die Schiedsbeklagte unstreitig auf die Umsatzbeteiligungen die im September und Dezember 2011 verbuchten Zahlungen geleistet, die bei der Berechnung der Schiedsklageforderung berücksichtigt worden sind … Mangels ersichtlicher oder von der Schiedsbeklagten behaupteter Vorbehalte lassen die Zahlungen auf eine Anerkennung der vertraglichen Verpflichtung schließen (vgl. BGH vom 8. Juni 1988 IVb ZR 51/87, NJW 1989, 161 m. w. N.; ferner Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 71. A., § 286 Rd. 194 „Teilleistung“; BGH vom 1. Dezember 2005 I ZR 284/02, TransportR 2006, 202) … 7. Soweit die Schiedsbeklagte sich jetzt im Schiedsverfahren auf verspätete Bereitstellung des Onlineshops – erst nach dem Weihnachtsgeschäft 2010 – beruft, bleibt die Schiedsklageforderung unberührt. a) Ohnehin bezieht sich die Schiedsklage nur auf Umsatzbeteiligungen aus den Monaten, in denen der Onlineshop bereitgestellt war und durch Online-Bestellungen Umsätze generierte … b) Der jetzigen Beanstandung stehen im Übrigen die als Abnahme anzusehende vorbehaltlose Ingebrauchnahme des Onlineshops … sowie die vorbehaltlosen Zahlungen im September und Dezember 2011 entgegen, die auf eine Anerkennung der ihnen zugrunde liegenden monatlichen Umsatzbeteiligungen schließen lassen … c) Davon abgesehen ist dem Vertrag keine verbindliche Terminsvereinbarung vor dem Weihnachtsgeschäft zu entnehmen. Dass der erst am 26. November 2010 unterschriebene Vertrag „zum 01. 11. 2010“ geschlossen wurde, lässt nicht ohne weiteres auf einen verbindlichen Fertigstellungstermin schließen. Dieser hätte nämlich eine beiderseitige vorherige Tätigkeit oder Mitwirkung erfordert. Eine genaue Vereinbarung war auch nicht zwingend erforderlich, weil bei Vertragsschluss zugleich ein Interesse der Schiedsklägerin an frühestmöglicher Inbetriebsetzung des Onlineshops zwecks ihrer Umsatzbeteiligung angenommen werden konnte. d) Selbst wenn ein solcher Termin hätte festgestellt werden können, könnte die Nichteinhaltung gegenüber der Schiedsklägerin nur dann von der Schiedsbeklagten geltend gemacht werden, wenn letztere alle ihrerseits dazu erforderlichen Mitwirkungen … rechtzeitig vorher erbracht hätte … 8. Die von der Schiedsbeklagten erhobene Einrede der unzureichenden Vertragserfüllung der Schiedsklägerin (§ 320 BGB) greift insbesondere insoweit nicht durch, als es um die Shop-Pflege geht. a) Soweit die Schiedsbeklagte vorträgt, die von ihr bereitgestellten Texte, Fotos und Erläuterungen, auch in russischer Sprache, betreffend aktuelle Artikel, Preise, Rabatte und Zahlungsarten einfacher und schneller durch eigenes Personal ins Netz gestellt zu haben, kann daraus geschlossen werden, dass ihr die Schiedsklägerin einen geeigneten und leicht zu bedienenden Zugang bereitgestellt hat. Dadurch konnte die beiderseitige Mitwirkung und Zusammenarbeit zeitlich effektiver und nicht nur für die Schiedsklägerin, sondern auch für die Schiedsbeklagte erleichtert werden. Durch diese Weg-Abkürzung und Beschleunigung konnten Pflege und Aktualität verbessert werden, ohne dass der Schiedsklägerin mangelnde Vertragserfüllung vorzuwerfen wäre. Sie blieb für gestalterisch oder technisch anspruchsvolle Arbeiten zuständig und verantwortlich und musste aufgrund ihrer Betreuungspflicht … mit ihrem Personal ständig zur Verfügung stehen, um den Onlineshop betriebsbereit zu halten, etwa auch bei technischen Störungen oder Internetangriffen von außen … c) Im Übrigen fehlt es an einer substanziierten Darlegung und hinreichenden Beweisbehauptung der Schiedsbeklagten …, welche Verpflichtung die Schiedsklägerin konkret nicht erfüllt haben sollte oder bezüglich welcher Daten oder Unterlagen die Schiedsklägerin eine Netzeingabe verweigert oder verzögert habe … 10. Sofern die Schiedsbeklagte weiter bestreiten will, dass die Schiedsklägerin ihrer Verpflichtung zur Werbung in den sozialen Netzwerken Facebook und Twitter nicht nachgekommen sei, wird demgegenüber diese Werbung – mit einer Reihe von interessanten Aufmachern und Ideen – überzeugend belegt durch die eingereichten Kopien aus den Facebook- und Twitter-Accounts für den Onlineshop … Auch insoweit lässt sich aus dem pauschalen … Vortrag der Schiedsbeklagten ohne konkrete Beweisbehauptung nicht nachvollziehen …, welches von ihr bereitgestellte Material oder welche sonst in Betracht kommenden Möglichkeiten die Schiedsklägerin nicht genutzt oder umgesetzt hätte …. 11. Soweit die Schiedsbeklagte den Zugang und die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung des Onlineshop-Vertrags seitens der Schiedsklägerin bestreitet, bleibt dadurch die Schiedsklageforderung auf die ausstehenden Umsatzbeteiligungen für die vorangegangenen Monate unberührt … 13. Desgleichen kommt es nicht darauf an, ob oder dass – unabhängig von der Vertrags-Mindestlaufzeit oder von einer ordentlichen Kündigung – das vorstehend charakterisierte Dauerschuldverhältnis … fristlos gekündigt werden konnte, nicht nur gemäß Vertrag … oder aus wichtigem Grund nach § 314 Abs. 2 BGB i. V. m. § 626 BGB, § 89a HGB, sondern speziell, nach mietrechtlicher Einordnung der – im Kündigungszeitpunkt maßgeblichen – noch nicht abgeschlossenen Leistungen, wegen Zahlungsverzugs mit mehr als zwei Monatsbeträgen gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB; das heißt bei dauerhafter Zurverfügungstellung von Software und Speicherkapazität im Sinne von virtuellen Räumen entsprechend dem für die Geschäftsraum-Miete geltenden Kündigungsrecht (vgl. LG Mannheim vom 7. Dezember 2010 11 O 273/10, Juris m. Anm. Lapp); einschließlich der Berechtigung des Vermieters zur Abschaltung der Versorgung (vgl. Klärung des vorherigen Meinungsstreits durch BGH vom 6. Mai 2009 XII ZR 137/09, BGHZ 180, 300)

You may also like

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner