Home Gerichtsentscheidung KG Berlin, Beschluss v. 07.07.2010, 2 SchH 2/10 | Schiedsverfahren: Offenbarungspflicht, Ablehnungsgründe

KG Berlin, Beschluss v. 07.07.2010, 2 SchH 2/10 | Schiedsverfahren: Offenbarungspflicht, Ablehnungsgründe

by Jan Dwornig
Schiedsrichter Offenlegung Ablehnungsgründe

Relevante Normen:

§ 1037 III ZPO
§ 1062 I Nr. 1 ZPO

Leitsatz:

Die Pflicht des Schiedsrichters, alle Umstände offen zu legen sind, die Zweifel an seiner Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit wecken können, führt nicht dazu, dass der Schiedsrichter auf „alles Mögliche”, sondern nur auf Umstände hinzuweisen hat, von denen er annehmen muss, sie könnten bei vernünftiger Betrachtung Zweifel an seiner Unbefangenheit und Unparteilichkeit erwecken.

Gründe:

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die Ablehnung des Vorsitzenden des Schiedsgerichts ist zulässig, insbesondere statthaft und form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 1037 Abs. 3, 1062 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), jedoch unbegründet. Der Antragsteller hat keine Gründe dargelegt, die geeignet sind, berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit des Schiedsrichters aufkommen zu lassen (§ 1036 Abs. 2 ZPO).
In den Vorschriften der ZPO über das schiedsrichterliche Verfahren sind zwar die Ablehnungsgründe eines Schiedsrichters nicht ausdrücklich geregelt; es ist aber anerkannt, dass ein Ablehnungsgrund im Sinne der §§ 41, 42 ZPO, der zur Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit berechtigt, auch Zweifel an der Unparteilichkeit des Schiedsrichters bietet, wenn die Parteien das betreffende Näheverhältnis nicht gekannt haben bzw. nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart haben (Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19. 12. 2001 – 10 SCHH 3/01–, SchiedsVZ 2003, 134; OLG Frankfurt, Beschluss vom 4. 10. 2007 – 26 SCH 8/07 –, SchiedsVZ 2008, 96; Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., § 1036 Rdnr. 10). Der Schiedsrichter ist dementsprechend verpflichtet, die für einen Richter geltenden Gebote, insbesondere der Neutralität, Objektivität und der Wahrung der Ausübung der Parteirechte zu beachten. Dabei rechtfertigen allerdings nur objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Schiedsrichter stehe dem Schiedsverfahren nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber, eine Ablehnung, wobei nicht erforderlich ist, dass der Schiedsrichter tatsächlich befangen ist. Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen des Ablehnenden berechtigen hingegen nicht zur Ablehnung. Unter Zugrundelegung der vorgenannten Kriterien hat der Antragsteller keine objektiven Gründe vorgetragen, die nach Meinung einer „ruhig und vernünftig denkenden Partei Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 42 Rdnr. 9 m.w.N.).
1. Gemeinsam mit dem Verfahrensbevollmächtigten des Schiedsbeklagten absolvierter Fachanwaltslehrgang für Medizinrecht und gemeinsame Teilnahme am „Medizinrechtsstammtisch”, „Duz-Verhältnis” Grundsätzlich ist maßgebend das Verhältnis zwischen Schiedsrichter und Partei. Eine Freundschaft oder sonstige nahe Beziehung zu einem Bevollmächtigten einer Partei ist kein Ablehnungsgrund (Zöller/Geimer, a.a.O., § 1036 Rdnr. 11; OLG Frankfurt, Beschluss vom 10. 1. 2008 – 26 SCH 21/07-NJW 2008, 1325; a.A. Lachmann, Schiedsgerichtspraxis, 3. Aufl., Kap. 11 Rdnr. 1003). Der Antragsteller hat hier schon nicht dargetan, dass zwischen dem Vorsitzenden des Schiedsgerichts und dem Bevollmächtigten des Schiedsbeklagten eine Freundschaft oder sonstige nahe Beziehung besteht. Eine solche ergibt sich nicht schon aus der gemeinsamen Teilnahme an dem berufsbezogenen Fachanwaltslehrgang und der vier- bis fünfmal jährlich stattfindenden gemeinsamen Teilnahme am „Medizinrechtsstammtisch”. Es ist zwangsläufig, dass Juristen, die sich auf Medizinrecht spezialisiert haben, sich kennen und gemeinsam in Fachgremien oder fachspezifischen Treffen auftreten (vgl. Zöller/Geimer, a.a.O., § 1036 Rdnr. 11 zur Schiedsgerichtsbarkeit). Insbesondere kann der Umstand, dass sich der Schiedsrichter und der Bevollmächtigte des Schiedsbeklagten außerhalb der Verhandlung duzen, nicht die Besorgnis rechtfertigen, zwischen den Beteiligten bestünde eine nahe persönliche Beziehung (BGH, Beschluss vom 21. 12. 2006 –IX ZB 60/06- NJW-RR 2007, 776). Dazu hat der Vorsitzende des Schiedsgerichts in seiner Stellungnahme vom 5. 3. 2010 unwidersprochen ausgeführt, dass es sich lediglich um ein kollegiales Duzverhältnis handele, dass zwischen allen Teilnehmern des „Medizinrechtsstammtisches” gepflegt werde. Außerhalb der fachbezogenen „Stammtischrunde” fänden auch keine privaten Treffen statt. Soweit sich der Antragsteller zur Begründung seiner Auffassung eines hier vorliegenden Näheverhältnisses auf den Beschluss des OLG Frankfurt vom 10. 1. 2008 beruft, lag dort im Gegensatz zum hiesigen Fall sowohl ein Mietverhältnis als auch ein „nicht nur oberflächliches persönliches Verhältnis” zwischen dem Schiedsrichter und dem Bevollmächtigten der Partei vor. Abweichend vom hiesigen Verfahren bestand auch im Fall des Thüringer Oberlandesgerichts (Beschluss vom 3. 9. 2009 – 4 W 373/09 –) ein – wenn auch vergangenes – Abhängigkeitsverhältnis im Sinne einer Ausbildung und eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen einem Sachverständigen und einer Partei. Auch die mögliche Diskussion über fachspezifische Themen im Rahmen des Medizinrechtsstammtisches, die Berührungspunkte zu dem streitgegenständlichen Schiedsverfahren haben, wie die Frage der Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit von Sitzbindungs-, Abfindungs- und Wettbewerbsklauseln, ist kein Umstand, der auf eine Voreingenommenheit des Schiedsrichters schließen lässt. So ist ein Schiedsrichter, der sich schon zu einer im Schiedsgerichtsverfahren relevanten Rechtsfrage – meist in einer Fachzeitschrift – geäußert hat, bei Zugrundelegung der für Richter geltenden Maßstäbe nicht als befangen anzusehen, wenn nicht besondere Umstände, z.B. Sturheit und Unbelehrbarkeit, hinzukommen (Lachmann, a.a.O., Kap. 11 Rdnr. 1011 und Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 42 Rdnr. 33mit Rechtsprechungshinweisen).
2. Verhandlungsführung des Vorsitzenden Das Vorbringen des Antragstellers, der Vorsitzende des Schiedsgerichts habe „kritische Fragen” nahezu ausschließlich an ihn gerichtet, z.B. bezüglich der Folgen des Verlustes der orthopädischen Zulassung für seine Praxis, vermögen ebenfalls nicht Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Vorsitzenden des Schiedsgerichts zu begründen. Ein im Rahmen der richterlichen Aufklärungspflicht gebotenes richterliches Verhalten begründet niemals einen Ablehnungsgrund. Dass die Fragen aus sachfremden Erwägungen erfolgten und nicht der gebotenen Substantiierung des Vortrags des Schiedsklägers dienten, ist nicht ersichtlich. Ebensowenig begründet ein die Entschließungsfreiheit nicht beeinträchtigender rechtlicher Hinweis an eine Partei die Ablehnung eines Schiedsrichters, insbesondere dann, wenn der Schiedsrichter – wie im vorliegenden Fall – auf die geäußerte Rechtsansicht des Bevollmächtigten des Antragstellers hin die Entscheidung ausdrücklich mit der Bemerkung, dass „man dies werde sehen müssen”, offenhält. Aus welchen Gründen die Bemerkung des Vorsitzenden des Schiedsgerichts, dies sei das „allgemeine Lebensrisiko” des Schiedsklägers auf dessen Vortrag hin, dass dann, wenn dieser seine operative Tätigkeit im Krankenhaus bei einem Unfall oder bei Krankheit einstellen müsse, er ausschließlich auf Einnahmen aus der Praxistätigkeit angewiesen sei, auf eine Voreingenommenheit des Vorsitzenden des Schiedsgerichts schließen lässt, vermag der Senat nicht zu erkennen. Auch ist aus dem Vorbringen des Antragstellers nicht ersichtlich, warum die im Schiedsgericht unterlassene Thematisierung der rechtlichen Möglichkeit der hälftigen Teilung der orthopädischen Zulassung/des orthopädischen Vertragsarztsitzes vor dem Vergleichsvorschlag des Schiedsklägers Zweifel an der Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit des Vorsitzenden Schiedsrichters wecken könne, denn eine entsprechende Antragstellung des Schiedsklägers im Schiedsverfahren ist nicht ersichtlich. Daher musste diese Frage auch nicht im Schiedsgericht erörtert werden.
3. Telefonische Mitteilung über das Ergebnis der Beratung des Schiedsgerichts am 24. 2. 2010. Auch in der telefonischen Mitteilung des Beratungsergebnisses des Schiedsgerichts vom 22. 2. 2010 ist keine unzulässige Vorfestlegung des Vorsitzenden des Schiedsgerichts zu sehen. Nach den unwidersprochenen Ausführungen des Vorsitzenden Schiedsrichters in seiner Stellungnahme und den Ausführungen des Schiedsgerichts in seinem Beschluss vom 12. 3. 2010 kam das Schiedsgericht am 22. 2. 2010 nach dreistündiger Beratung zu einem Ergebnis, wobei der Tenor des Schiedsspruches noch nicht ausformuliert war. Da damit zu rechnen war, dass die Parteivertreter am Abend dieses Tages telefonisch bei dem Vorsitzenden nach dem Ergebnis der Beratung fragen würden, ermächtigte das Schiedsgericht den Vorsitzenden, über die zu erwartende Entscheidung Auskunft zu geben. Dabei war allen Schiedsrichtern klar, dass damit der Schiedsspruch nicht existent war und jeder Schiedsrichter vor der Unterzeichnung des Schiedsspruchs einen erneuten Eintritt in die Beratung verlangen konnte. Die im Einvernehmen mit den anderen Schiedsrichtern und auf ausdrücklichen Wunsch des Antragstellers erfolgte Mitteilung des Beratungsergebnisses konnte keine Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Vorsitzenden Richters wecken, weil allen Beteiligten bewusst war, dass es sich nur um das Ergebnis der Beratung und damit um eine beabsichtigte Entscheidung handelte, die von jedem Schiedsrichter noch in Frage gestellt werden konnte. Daher war es auch nicht notwendig, dass der Vorsitzende Schiedsrichter darauf hinwies, dass es sich um eine vorläufige Entscheidung vorbehaltlich des endgültigen, von allen Schiedsrichtern unterzeichneten Schiedsspruchs handelte und er ausdrücklich nur einen „rechtlichen Hinweis” erteilte. Denn die Unparteilichkeit gebietet dem Richter nicht, dass er sich über den von ihm nach Prüfung der Sach- und Rechtslage erwartenden Ausgang nicht klar äußert, sondern ausschließlich in der Möglichkeitsform formuliert (OLG Naumburg, Beschluss vom 30. 11. 2006 – 10 W 86/06 –, MDR 2007, 794; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 42 Rdnr. 26). Es bestand auch nicht die Besorgnis, der Vorsitzende Schiedsrichter werde auf Grund einer Vorfestlegung noch möglichen Vortrag des Antragstellers unberücksichtigt lassen. Denn den Parteien war nicht mehr rechtliches Gehör zu gewähren, weil die mündliche Verhandlung bereits geschlossen und ein Schriftsatznachlass nicht gewährt war.
4. Verletzung der Offenbarungspflicht hinsichtlich eines möglichen Näheverhältnisses Entgegen der Auffassung des Antragstellers liegt auch in der mangelnden Offenbarung der – gemeinsam mit dem Bevollmächtigten des Schiedsbeklagten – erfolgten Teilnahme an dem „Medizinrechtsstammtisch” und des „Duz-Verhältnisses” kein Grund für Zweifel an der Unvorgenommenheit des Vorsitzenden Schiedsrichters. Zwar zeigt schon die Formulierung des § 1036 Abs. 1 Satz 1 ZPO, wonach alle Umstände offen zu legen sind, die Zweifel an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit des Schiedsrichters wecken können, dass der Kreis der offenbarungspflichtigen Tatsachen sehr weit, weiter als der der Ablehnungsgründe gezogen ist. Diese Rechtslage führt aber nicht dazu, dass der Schiedsrichter auf „alles Mögliche”, sondern nur auf Umstände hinzuweisen hat, von denen er annehmen muss, sie könnten bei vernünftiger Betrachtung Zweifel an seiner Unbefangenheit und Unparteilichkeit erwecken (OLG Naumburg, Beschluss vom 19. 12. 2001 – 10 SCHH 3/01 –, SchiedsVZ 2003, 134; Lachmann, a.a.O., Kap. 11 Rdnr. 1038). Unterlässt der Schiedsrichter wie hier den Hinweis auf Umstände, die eindeutig und klar ungeeignet waren, die Besorgnis seiner Befangenheit zu begründen (gemeinsame Teilnahme an einem Fachanwaltslehrgang, allein berufsbezogenes Treffen mit dem Bevollmächtigten des Schiedsbeklagten im Rahmen des „Medizinrechtsstammtisches” und darauf bezogenes kollegiales Duz-Verhältnis) und die damit bei einer Partei bei vernünftiger Betrachtung auch keine Zweifel an seiner Unbefangenheit und Unparteilichkeit wecken konnten, so liegt darin weder ein Pflichtverstoß noch ein gesonderter Ablehnungsgrund. Zwar sind die Anforderungen an die vom Schiedsrichter zu offenbarenden Umstände nicht mit denen gleichzusetzen, die bei der Prüfung der Besorgnis der Befangenheit wegen dieser Umstände gelten. Sie sind geringer und können auch Umstände erfassen, die die Ablehnung des Schiedsrichters wegen Befangenheit in den Augen des später darüber befindenden Gerichtes an sich noch nicht rechtfertigen. Solche Umstände können nämlich trotzdem Zweifel an der Unparteilichkeit und Unbefangenheit des Schiedsrichters wecken. Hierfür müssen jedoch ausreichende Anhaltspunkte vorliegen, die eine solche Möglichkeit nahe legen. Allein die – nicht auf hinreichende Anhaltspunkte – gestützte Behauptung einer Partei, bei ihr hätten die verschwiegenen Umstände Zweifel an der Unbefangenheit und Unparteilichkeit des Schiedsrichters geweckt oder wecken können, würde die Aushöhlung der Anforderungen an die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit bewirken. Denn ein Umstand, der schon an sich die Ablehnung des Schiedsrichters wegen Befangenheit eindeutig nicht begründet, darf nicht auf dem Umweg über die Ablehnung wegen unterlassener Offenbarung dieses Umstandes doch noch zur Ablehnung des Schiedsrichters führen (vgl. OLG Naumburg, a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Der Verfahrenswert ist entsprechend § 3 ZPO auf ⅓ des Hauptsachewerts zu schätzen.

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