Home Gerichtsentscheidung KG Berlin, Beschluss v. 16.02.2001, 28 Sch 23/99| Schiedsverfahren: Vollstreckbarerklärung Schiedsspruch ggn. Staat

KG Berlin, Beschluss v. 16.02.2001, 28 Sch 23/99| Schiedsverfahren: Vollstreckbarerklärung Schiedsspruch ggn. Staat

by Jan Dwornig
Schiedsspruch gegen Staat

Relevante Normen:

§ 1061 I ZPO
§ 1062 II ZPO
Art. 10 IV Deutsch-Sowjetisches Investitionsschutzabkommen

Nichtamtlicher Leitsatz:

1. Die etwaige Nichteinhaltung einzelner formeller Zustellungsregeln des Haager Übereinkommens über den Zivilprozeß bedeutet nicht per se die Unwirksamkeit des Zustellungsaktes (hier eines Antrags auf Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs).
2. Im internationalen Rechtsverkehr kann die Übergabe eines Schriftstückes an das Außenministerium wesentlicher Anknüpfungspunkt für die Bewirkung der Zustellung an einen Staat sein.
3. Erteilt das Außenministerium des ausländischen Staates, der Vertragsstaat des HZPrÜbk ist und gegen den sich eine im Ausland erhobene Klage richtet, nach Übergabe des zuzustellenden Schriftstücks nicht den gemäß Art. 5 vorgesehenen Zustellungsnachweis, kann die Zustellung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben im Völkerrecht als bewirkt angesehen werden.
4. Zur Vollstreckungsimmunität eines Staates

Sachverhalt:

Gemeinsam mit einer Sankt Petersburger Behörde gründete der Antragsteller 1990/91 über eine ihm gehörende US-amerikanische Firma eine geschlossene Aktiengesellschaft nach russischem Recht, in die neben Geld seitens der Sankt Petersburger Behörde Liegenschaften eingebracht wurden. Die Antragsgegnerin schuf 1992 im Rahmen neuer Gesetze einen Bundesvermögensfonds, mit dem während der stattfindenden Privatisierung das staatliche Vermögen einschließlich Einlagen in Gemeinschaftsunternehmen gesichert werden sollte. In Umsetzung dessen ordnete der Präsident der Antragsgegnerin am 4. Dezember 1994 durch eine Direktive die Übertragung der in die Aktiengesellschaft eingebrachten Liegenschaften auf das ihm zugeordnete, im Rubrum genannte „Beschaffungsamt” (Übersetzung von „Upravlenie Delami Presidenta Rossiskoj Federatsii” gemäß S. 6 des Schiedsspruchs) an, das mit der Sankt Petersburger Behörde eine entsprechende Vereinbarung ohne Mitwirkung des Antragstellers traf. Nach einem erwirkten Gerichtsbeschluss wurden die Liegenschaften vom Antragsgegner im Oktober 1995 teilweise versiegelt und im Januar 1996 beschlagnahmt. Das vom Antragsteller angerufene internationale Schiedsgericht in Stockholm erließ nach Anhörung der Parteien und Vernehmung mehrerer Zeugen am 7. Juli 1998 einen den Parteien zugestellten Schiedsspruch mit dem aus dem Tenor ersichtlichen Inhalt. In den Gründen bejaht es auf – in der deutschen Übersetzung – fast 40 Seiten seine Zuständigkeit wegen einer Enteignung von Kapitalanlagen nach dem beiderseits ratifizierten „Vertrag der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Förderung und den gegenseitigem Schutz von Kapitalanlagen” vom 13. Juni 1989 und spricht dem Antragsteller auf weiteren 30 Seiten einen Teil der in jenem Schiedsverfahren geltend gemachten Forderungen als Entschädigung zu. Der Antragsteller trat die Forderung aus dem Schiedsspruch am 22. Juli 1998 an eine Firma unter nachträglicher Einräumung einer Einziehungsermächtigung an ihn ab. Als Gegenleistung übernahm die Käuferin die im Rahmen des Schiedsverfahrens aufgewandten Kosten sowie abhängig vom Erfolg der Vollstreckung aus dem Schiedsspruch die Zahlung eines Kaufpreises und der Kosten weiterer Schiedsverfahren. Unter Vorlage einer beglaubigten Abschrift und beglaubigten Übersetzung des Schiedsspruches hat der Antragsteller den verfahrensgegenständlichen Antrag im August 1999 bei dem Bayerischen Obersten Landesgericht gestellt, das sich durch Beschluss vom 26. Oktober 1999 ohne Anhörung der Antragsgegnerin für örtlich unzuständig erklärte und das Verfahren an das Kammergericht verwies, weil der Antragsteller nicht schlüssig dargelegt habe, dass die Antragsgegnerin in jenem Gerichtsbezirk Vermögen habe. Der Senat hat die Deutsche Botschaft in Moskau im Rechtshilfeverkehr gebeten, zwei beglaubigte Abschriften der Antragsschrift vom 9. August 1999 nebst den dazugehörigen Anlagen jeweils in russischer Übersetzung zuzustellen. Die Botschaft hat schriftlich mitgeteilt, dass das „Ersuchen (…) an das russische Außenministerium mit Verbalnote Nr. 1097 vom 5. Juni 2000 weitergeleitet” wurde. Auf ein weiteres Rechtshilfeersuchen sind die Schriftsätze des Antragstellers vom 10. und 14. August 2000 sowie ein Schreiben des Senats vom 28. August 2000 jeweils in russischer Übersetzung nach einer Mitteilung der Deutschen Botschaft in Moskau „mit Verbalnote Nr. 2143 vom 3. 11. 2000 an das russische Außenministerium weitergeleitet” worden. Das vorbezeichnete Schreiben des Senats hat folgenden Wortlaut: „In dem hier anhängigen Schiedsverfahren des S. (Antragsteller) gegen die Russische Föderation (Antragsgegnerin) beim Administrativen Büro der Präsidenten der Russischen Föderation, Nikitnikov pereulok, D.2, P.5, 103132 Moskau/Russland, ist am 5. Juni 2000 ein Rechtshilfeersuchen, welches die Zustellung insbesondere der Antragsschrift betrifft, von der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Moskau an das Russische Außenministerium mit Verbalnote 1097 weitergeleitet worden. Hierauf wird Bezug genommen. Die anliegenden Schriftsätze des Antragstellers vom 10. und 14. August 2000 betreffend Zustellungsfragen werden der Antragsgegnerin, d.h. der Russischen Föderation, zur Kenntnisnahme übersandt, insbesondere auch von dem Vorbringen des Antragstellers, die Zustellung sei bereits mit der Übergabe an das Außenministerium bewirkt worden. Der Senat weist die Antragsgegnerin im Anschluss an die Ausführungen des Antragstellers auf Seite 3 vorletzter Absatz seines anliegenden Schriftsatzes vom 10. August 2000 ferner darauf hin, dass für den Fall eines nicht eingehenden Zustellungsnachweises seitens der ersuchten Behörde die Zustellung auch nach dem Grundsatz von Treu und Glauben als bewirkt anzusehen sein könnte. Zwar ist im Allgemeinen ein gegen eine Gebietskörperschaft gerichteter Antrag erst dann wirksam zugestellt, wenn er dem zuständigen Organ – hier entsprechend dem Rubrum der Antragsschrift beim Administrativen Büro des Präsidenten der Russischen Föderation – vorliegt. In diesem Schiedsverfahren besteht aber die Besonderheit, dass die Zustellung im Ausland im Rechtshilfeverkehr zu bewirken ist und die hierbei ersuchte Behörde, das Russische Außenministerium, selbst ein hochrangiges Organ der Ag. ist. Übersendet die ersuchte Behörde in zumutbarer Zeit entgegen ihrer Verpflichtung aus Art. 1 Abs. 1 Satz 3 des Haager Übereinkommens über den Zivilprozess vom 1. März 1954 nicht den Zustellungsnachweis oder gibt nicht den Grund an, aus dem die Zustellung nicht hat bewirkt werden können, so könnte es aus Sicht des Ast. unbillig sein, wenn ihm daraus ein Nachteil entstehen würde. Hier dürfte zu berücksichtigen sein, dass die mit den Rechtshilfeersuchen übermittelten (Antrags-)Schriftsätze nachweisbar am 5. Juni 2000 im Außenministerium der Russischen Föderation eingegangen sind und Hindernisse für die Möglichkeit einer raschen Rücksendung des Zustellungsnachweises an die Deutsche Botschaft nicht ersichtlich sind. Der Ag. wird Gelegenheit gegeben, zu den vorstehenden (Zustellungs-)Fragen, aber auch zu der Antragsschrift selbst, binnen eines Monats, gerechnet ab dem Tag der Übergabe dieses weiteren Rechtshilfeersuchens an das Außenministerium, Stellung zu nehmen. Der Senat wird anschließend beraten, ob und ggf. welche Entscheidung er trifft.” Der Antragsteller äußert in seinen Schriftsätzen vom 10. und 14. August 2000 die Auffassung, die Zustellungen seien gemäß §§ 170, 190 ZPO unter Anwendung des Haager Übereinkommens über die Zustellung und Vollstreckung gerichtlicher Titel vom 1. Januar 1960 in Verbindung mit einem Dekret des Präsidenten des Obersten Sowjets der UdSSR vom 16. Dezember 1947 bewirkt, da das russische Außenministerium den russischen Staat bei solchen Zustellungen vertrete. Der Antragsteller beantragt, wie erkannt. Die Antragsgegnerin hat keine Stellungnahme zu den Akten gegeben. …

Gründe:

Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist nach §§ 1061 Abs. 1, 1062 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit dem Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. Juni 1958 (im Folgenden: UN-Übereinkommen) sowie dem Vertrag der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Förderung und den gegenseitigem Schutz von Kapitalanlagen vom 13. Juni 1989 (im Folgenden: der Vertrag) zulässig und begründet. 1. Das Kammergericht ist nach § 1062 Abs. 2 ZPO für die Entscheidung über den Vollstreckbarkeitsantrag zuständig, weil den Gründen des Beschlusses des Bayerischen Obersten Landesgerichts über die fehlende dortige Zuständigkeit letztlich zu folgen ist. Ob die hiesige Zuständigkeit wegen Vermögens der Antragsgegnerin im hiesigen Gerichtsbezirk oder wegen der Auffangregelung besteht, kann dahin gestellt bleiben. b) Die Antragsgegnerin ist nicht von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit, vgl. §§ 18f.GVG. Ebenso besteht für sie keine generelle Vollstreckungsimmunität. Verfahrensgegenstand ist kein Eingriff in hoheitliche Rechte der Antragsgegnerin, sondern ein Schiedsspruch auf Zahlung einer Geldforderung des Ast. Es gibt ferner kein allgemeines Verbot der Zwangsvollstreckung in das Vermögen fremder Staaten (vgl. BVerfG NJW 1978, 485ff.). Dabei kommt im Besonderen hinzu, dass die Partner des Vertrages – also auch die Antragsgegnerin kraft der ihr zukommenden staatlichen Souveränität – in Artikel 10 Abs. 4 zweiter Unterabsatz ausdrücklich bestimmt haben „Der Schiedsspruch wird anerkannt und vollstreckt nach Maßgabe des” UN-Übereinkommens, das in seinem Art. III eigens anordnet, dass „jeder Vertragsstaat … Schiedssprüche als wirksam (anerkennt) und … sie nach den Verfahrensvorschriften des Hoheitsgebiets, in dem der Schiedsspruch geltend gemacht wird, zur Vollstreckung (zulässt), sofern die in den folgenden Artikeln festgelegten Voraussetzungen gegeben sind”. Hiermit haben die Parteien des Vertrages auf zuvor etwaig angenommene Immunitätsrechte betreffend die Vollstreckbarkeitserklärung eines im Geltungsbereich des Vertrages ergangenen Schiedsspruchs verzichtet. Es würde den Grundsätzen des Völkerrechts nicht entsprechen, sondern diese im Gegenteil missachten, wenn die Antragsgegnerin an dieser von ihr bewusst eingegangenen Bindung durch die innerstaatlichen Gerichte des anderen Vertragsstaats nicht festgehalten werden könnte. Denn dies würde den Wert der von der Ag. eingegangenen zwischenstaatlichen Vereinbarungen von vornherein gefährden. Der Vertrag erfasst u.a. Ansprüche – wie vorliegend vom Schiedsgericht bejaht – aus „Maßnahmen der Enteignung einschließlich Verstaatlichung …” durch eine Vertragspartei gemäß Art. 4 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 2 des Vertrages. Offen bleiben kann, inwieweit die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts einer Einzelvollstreckung in einen Gegenstand, der hoheitlichen Zwecken der Antragsgegnerin dient, entgegenstehen. Dies wäre im Rahmen des konkreten Zwangsvollstreckungsverfahrens, nicht aber im Rahmen der hier zu entscheidenden Frage der generellen Vollstreckbarkeit des Titels zu entscheiden. c) Zwischen den Parteien besteht ein Verfahrensrechtsverhältnis, in dem der Antragsgegnerin ausreichend rechtliches Gehör gewährt worden ist. Der Antrag richtet sich wie im Schiedsverfahren gegen die Russische Föderation als Fiskus, d.h. als Träger von eigenen Vermögensrechten. Ihr ist die Antragsschrift des Ast. nebst allen weiteren relevanten Schriftsätzen sowie das Schreiben des Senats vom 28. August 2000 in russischer Sprache jeweils in zwei Stücken wirksam mit deren Übergabe an das Russische Außenministerium am 5. Juni und 3. November 2000 nach §§ 199, 202 Abs. 2, 187 ZPO im Rechtshilfeverkehr nach dem Haager Übereinkommen über den Zivilprozess, bei dem die Antragsgegnerin Vertragsstaat ist, zugestellt worden. Die Übergabe und die Zeit (vgl. Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 3. Auflage Rdnr. 648c) als Voraussetzung der Zustellung sind durch die beiden Zustellungszeugnisse der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Moskau vom 7. Juni und 7. November 2000 bewiesen. Dem Rücklauf eines im Rechtshilfeverkehr mit Russland grundsätzlich vorgesehenen Zustellungsnachweises im Sinne des Art. 5 HZPrÜbk bedurfte es aus den Gründen des gerichtlichen Schreibens vom 28. August 2000, an denen der Senat nach erneuter Überprüfung festhält und auf die er ausdrücklich Bezug nimmt, im vorliegenden Fall nicht mehr. Die etwaige Nichteinhaltung einzelner formeller Zustellungsregeln des UN-Übereinkommens bedeutet nicht per se die Unwirksamkeit des Zustellungsakts (vgl. Wenzel, in: Münchener Kommentar, ZPO, 2. Aufl. § 2002 Rdnr. 2; BGHZ 65, 291, 295; Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern im internationalen Zivilrechtsverkehr S. 231f., 237, Geimer a.a.O. Rdnr. 2102). Der Ag. sind die Schriftstücke über ihr Außenministerium zugegangen; eine Notfrist wurde durch die Zustellung nicht in Gang gesetzt (vgl. § 187 Satz 2 ZPO). Der Antragsgegnerin ist aus dem Inhalt des Ersuchens bekannt, an welche ihrer Behörden in Moskau die Schriftstücke gerichtet waren. Staatsvertraglich geregelt ist die Zustellung an einen ausländischen Staat im Zeitpunkt der Übergabe des Schriftstücks an sein Außenministerium bereits in Art. 16 des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität, bei dem die Antragsgegnerin aber nicht Vertragsstaat ist. Dieses Übereinkommen zeigt jedoch, dass im internationalen Rechtsverkehr die Übergabe an das Außenministerium wesentlicher Anknüpfungspunkt für die Bewirkung der Zustellung an einen Staat sein kann. Nach der deutschen Zivilprozessordnung wird eine Zustellung an eine Gebietskörperschaft grundsätzlich nach §§ 171, 173 ZPO als bewirkt angesehen, wenn das Schriftstück die intern zuständige Behörde erreicht, wobei die Angabe eines falschen gesetzlichen Vertreters der juristischen Person die Zustellung nicht unwirksam macht (vgl. OLG Zweibrücken OLGZ 78, 108ff., KG RPfleger 1976, 222). Wie der deutsche Fiskus wird der ausländische entsprechend Art. 7, 10 EGBGB nach Maßgabe des ausländischen Rechts vertreten, weshalb sich die Bewirkung der Zustellung grundsätzlich nach dem Recht des beklagten Staates richtet (BGHZ 40, 197, 199; Hess RIW 1989, 254, 258). Allerdings ist der im deutschen Recht und ebenso im Völkerrecht geltende Grundsatz von Treu und Glauben auf derartige Fälle der Vertretungsbefugnis nach innerstaatlichen Regeln anwendbar (vgl. BGH a.a.O. S. 203), weshalb von solchen internen Zuständigkeitsverteilungen im Einzelnen abgewichen werden kann. Bei der vorliegenden Fallkonstellation ist der Umstand prägend, dass der Antragsteller über das deutsche Gericht den Rechtshilfeverkehr für die Zustellung an die Ag. in Anspruch nehmen muss. Nimmt sie die Schriftstücke durch ihr Außenministerium entgegen und macht damit nicht von der Möglichkeit Gebrauch, die Zustellung gemäß Art. 4 HZPrÜbk wegen Gefährdung ihrer Hoheitsrechte oder Sicherheit zurückzuweisen (vgl. Pfennig, Die internationale Zustellung in Zivil- und Handelssachen S. 121), so wäre es vertragswidrig, wenn sie über die (Un-)Wirksamkeit einer Zustellung allein entscheiden würde, indem sie gegenüber dem ersuchenden Staat einfach nicht mehr tätig wird. Das russische Außenministerium ist gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 3 HZPrÜbk immer verpflichtet, den Zustellungsnachweis zu übersenden oder den Grund anzugeben, aus dem die Zustellung nicht hat bewirkt werden können. Im erstgenannten Fall hat das russische Außenministerium nach Art. 5 HZPrÜbk als zuständige Behörde des ersuchten Staates dem ersuchenden Staat ein Zeugnis zuzuleiten, aus dem sich die Tatsache, die Form und die Zeit der Zustellung ergeben. Geschieht wie vorliegend weder dies noch werden Hinweise erteilt, was einer Weiterleitung entgegenstehen könnte, obwohl das „Beschaffungsamt” eindeutig im Ersuchen bezeichnet ist, so stellt sich die Antragsgegnerin in Widerspruch zum UN-Übereinkommen und insbesondere ________________________________________ 112 • • KG: Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs gegen einen Staat(SchiedsVZ 2004, 109) zum Geist des Vertrages, der ausdrücklich die Durchsetzung eines Anspruchs gegen die enteignende Vertragspartei, hier die Antragsgegnerin, vorsieht. Wird dann noch im Vertrag das Schiedsverfahren an Stelle eines Erkenntnisverfahrens vor staatlichen Gerichten ausdrücklich vereinbart, so kann nicht eine Vertragsseite die darin selbst eingegangenen Verpflichtungen durch ein – nach der genannten Vorschriftenlage – pflichtwidriges Unterlassen der Mitwirkung an dem weiteren Zustellungsverfahren im Vollstreckbarkeitsverfahren unterlaufen. Dies trifft umso mehr im vorliegenden Fall zu, bei dem die nach den Feststellungen des Schiedsspruchs intern zuständige Behörde, das „Beschaffungsamt” mit Sitz in Moskau, dem Präsidenten des Ag. zugeordnet ist, und das russische Außenministerium die Schriftstücke selbst als hochrangiges Organ der Antragsgegnerin ebenfalls mit Sitz in Moskau im Rahmen des Rechtshilfeverkehrs entgegengenommen hat. Dass das „Beschaffungsamt” der Antragsgegnerin in der Lage ist, innerhalb weniger Wochen auf (gerichtliche) Anträge der Gegenseite zu reagieren, belegen die Feststellungen des Schiedsspruchs: Danach forderte der Antragsteller das „Beschaffungsamt” im Oktober 1995 auf, einen Schiedsrichter zu bestellen; am 15. Januar 1996 reichte er den Antrag auf Durchführung des Schiedsverfahren in Stockholm ein. Das „Beschaffungsamt” lehnte in einem Brief vom 20. März 1996 gegenüber dem Vorsitzenden des Schiedsgerichtsinstituts in Stockholm sämtliche Ansprüche ab. Der Berücksichtigung des treuwidrigen Verhaltens der Antragsgegnerin in einem Zivilverfahren wie dem vorliegenden steht auch nicht entgegen, dass der Vertrag unmittelbar zwischen Staaten, also nicht zwischen den Parteien dieses Verfahrens geschlossen worden ist. Bei einer an dem gemeinsamen Vertragsziel der vertragsschließenden Staaten orientierten Auslegung, wie sie auch nach den Regeln des Völkerrechts geboten ist, wäre es verfehlt, anzunehmen, dass Verstöße gegen den Inhalt oder den Geist des Vertrages nur von der jeweils anderen (staatlichen) Vertragspartei nach den Regeln des Völkerrechts sanktioniert werden könnten; dabei kann offen bleiben, ob das Völkerrecht ein entsprechendes effektives Sanktionssystem überhaupt kennt. Verwirklichen lässt sich das Vertragsanliegen, Investitionen im jeweils eigenen Staat durch Bürger des anderen zu realisieren, nur, wenn dem Bürger unmittelbar die Möglichkeit eröffnet wird, seine tatsächlichen oder vermeintlichen Ansprüche auch in dem ihm allgemein eröffneten Verfahren durchzusetzen. Dies wiederum hat zur Folge, dass er auch prozesswidriges Verhalten – wie hier die unterlassene weitere Mitwirkung im Zustellungsverfahren – seines staatlichen Prozessgegners unmittelbar rügen kann. Nach alledem folgt aus dem Umstand, dass auch über sieben Monate nach der ersten Übergabe und über drei Monate nach der zweiten weder eine Reaktion des russischen Außenministeriums noch des „Beschaffungsamts” vorliegt, dass die für die Ag. handelnden Organe nicht gewillt sind, entgegen ihrer selbst eingegangenen Verpflichtung am zwischenstaatlich vereinbarten Zustellungsverfahren weiter mitzuwirken. Einer öffentlichen Zustellung der Schriftstücke in Deutschland nach § 203 Abs. 2 ZPO als Ersatzzustellung bedarf es nicht mehr, weil die Zustellung nach den §§ 199, 202 ZPO wie aufgezeigt nicht unausführbar im Sinne dieser Vorschriften gewesen ist. Die Zustellung ist mit dem Zeitpunkt der Übergabe an die Ag. als bewirkt anzusehen. 2. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs ist auch begründet. a) Der Ast. ist trotz der Abtretung der im Schiedsspruch bezeichneten Forderung weiterhin als Verfahrensstandschafter aktivlegitimiert zur Durchführung dieses Verfahrens. Auf Grund der vertraglichen Regelungen mit dem Abtretungsempfänger, der ihm u.a. eine Einzugsermächtigung erteilt hat, besitzt er unverändert ein erhebliches eigenes wirtschaftliches Interesse, dass die Vollstreckung aus dem Schiedsspruch betrieben wird, wofür das hiesige Verfahren Voraussetzung ist. Ob der Auffassung des Bundesgerichtshofs (NJW 1993, 1396; 1992, 61 und 1985, 809f.) zu folgen ist, dass das Gesetz eine Vollstreckungsstandschaft, also die Vollstreckung eines ursprünglich eigenen, titulierten, dann aber abgetretenen Anspruchs, nicht zulässt, kann dahingestellt bleiben, obgleich der entscheidende rechtliche Unterschied zu dem auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zulässigen Fall, dass ein Nichtinhaber einer Forderung in Prozessstandschaft einen Titel auf Zahlung an sich erwirken und sodann die Zwangsvollstreckung der weiterhin fremden Forderung im eigenen Namen betreiben darf, nicht erkennbar ist (ebenso OLG Dresden NJW-RR 1996, 444f. m.w.N.). Der Schiedsspruch ist anders als ein Urteil kein Vollstreckungstitel. Hierfür dient vielmehr das vorliegende Verfahren, mit dem zugleich die volle Rechtswirksamkeit des Schiedsspruches für den Geltungsbereich der Zivilprozessordnung festgestellt werden soll. Demgemäß sind für die Zulassung einer Verfahrensstandschaft auf Gläubigerseite vorrangig die Regelungen des Erkenntnis- und nicht des Vollstreckungsverfahrens heranzuziehen. Im UN-Übereinkommen oder im Vertrag sind keine entgegenstehenden Vereinbarungen getroffen worden. Die formellen und materiellen Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung nach dem UN-Übereinkommen sind erfüllt. Ob die Ag. bei ihrem Beitritt zu dem UN-Übereinkommen einen Vorbehalt nach Art. 1 Abs. 3 erklärt hat, kann dahingestellt bleiben, weil der Ort des Schiedsverfahrens in Schweden lag, das dem UN-Übereinkommen ebenfalls beigetreten ist, und die Antragsgegnerin die Zuständigkeit jenes Schiedsgerichts ohnehin mit dem Vertrag anerkannt hat. Der Antragsteller hat eine beglaubigte Abschrift des Schiedsspruchs und eine beglaubigte Übersetzung des Schiedsspruchs vorgelegt, Art. IV Abs. 1a), Abs. 2 UN-Übereinkommen. Der Vorlage einer (beglaubigten) Schiedsabrede gemäß Art. IV Abs. 1b) des Vertrages bedarf es nicht, weil die Schiedsvereinbarung als Vereinbarung zu Gunsten Dritter in Art. 10 Abs. 2 des zwischenstaatlichen Vertrages getroffen wurde, der entsprechend der innerstaatlichen Regelungen veröffentlicht wurde. Gründe, die der Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs entgegenstehen, sind nicht erkennbar. Die in Art. V Abs. 1 des Vertrages Genannten könnten ohnehin nur Berücksichtigung finden, wenn die Antragsgegnerin sie vorgetragen und für sie den Beweis erbracht hätte. Gemäß Art. V Abs. 2 des Vertrages von Amts wegen zu prüfende Gründe liegen ebenfalls nicht vor. Der Gegenstand des Schiedsstreits, ein vermögensrechtlicher Anspruch, kann nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland auf schiedsrichterlichem Wege geregelt werden (§§ 1030 Abs. 1, 1029 Abs. 1 ZPO). Die Alternative einer spezialgesetzlichen Ausnahme in § 1030 Abs. 2, 3 ZPO liegt nicht vor und käme ohnehin nicht in Betracht, weil in dem Vertrag ausdrücklich eine Schiedsvereinbarung eingegrenzt auf die Fälle der Artikel 4 und 5 des Vertrages getroffen wurde. Nicht erkennbar ist, weshalb gemäß Art. V Abs. 2b) des Vertrages die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs der öffentlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland widersprechen würde. Dafür müsste z.B. das Verfahren des Schiedsgerichts an einem derart schwerwiegenden Mangel leiden, der sogar noch über die in Art. V Abs. 1b) bis d) genannten Fälle hinausgehen müsste. Hierfür ist nichts ersichtlich. Gleichfalls begründet die Subsumtion des Schiedsgerichts, der Antragsteller habe Kapitalanlagen im Sinne von Art. 1 Abs. 1 des Vertrages getätigt, die durch die Umsetzung der Direktive der Antragsgegnerin im Sinne des Art. 4 Abs. 1 des Vertrages enteignet wurden, woraus sich ein Entschädigungsanspruch für bestimmte Kapitalanlagen ergibt, keinen eklatanten Verstoß gegen zwingendes Recht der Bundesrepublik Deutschland oder gegen elementare Gerechtigkeitsvorstellungen. …

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