Home Gerichtsentscheidung KG Berlin, Beschluss v. 24.01.2008, 20 Sch 4/07 | Schiedsverfahren: Schiedsvereinbarung, keine Vereinbarung Zahl Schiedsrichter, keine Verfahrensregeln

KG Berlin, Beschluss v. 24.01.2008, 20 Sch 4/07 | Schiedsverfahren: Schiedsvereinbarung, keine Vereinbarung Zahl Schiedsrichter, keine Verfahrensregeln

by Jan Dwornig
Was ist wenn in der Schiedsvereinbarung keine Verfahrensregeln und keine Zahl der Schiedsrichter bestimmt ist

Relevante Normen:

§ 1034 II ZPO

Nichtamtlicher Leitsatz:


Wenn die Parteien keine Vereinbarung über die Anzahl der Schiedsrichter getroffen haben, ist die Anzahl der Schiedsrichter gem. § 1034 I 2 ZPO drei.

Sachverhalt:

Der Ast. begehrt die Benennung eines gemeinsamen Schiedsrichters für die Ag. im Hinblick auf ein durchzuführendes Schiedsverfahren über die Auseinandersetzung einer Anwaltssozietät, hilfsweise zusätzlich die Benennung eines neuen Schiedsrichters auch für ihn. Die Ag. zu 3 stellt den Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens gegen den Ast. Das KG hat mit Urteil vom 12. 12. 2006 (14 U 6/06) die im Sozietätsvertrag vom 15. 10. 1998 enthaltene Schiedsklausel für wirksam gehalten und die Berufung der Ag. zu 3 gegen ein klageabweisendes Urteil des LG, das Auskunfts- und Gewinnausschüttungsansprüche gegen die Anwaltssozietät und gegen einzelne Gesellschafter, unter anderem auch gegen den Ast. zum Gegenstand hatte, zurückgewiesen. Im Sozietätsvertrag heißt es: § 25. Ablösungsklausel. Diese Vereinbarung regelt abschließend die Rechtsbeziehungen zwischen den Partnern an Stelle ihrer bisherigen Sozietäts-/Partnerschaftsregelungen. § 26. Schiedsklausel. Streitigkeiten unter den Partnern über Rechte oder Pflichten aus diesem Vertrag entscheidet unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs endgültig und bindend ein Schiedsgericht gemäß dem gesondert geschlossenen Schiedsvertrag. Ein zwischen den Verfahrensbet. gesondert geschlossener Schiedsvertrag existiert nicht. Die bisher am beabsichtigten Schiedsverfahren nicht beteiligten Gesellschafter D, L, M und T haben sich ebenfalls der Schiedsklausel im Sozietätsvertrag unterworfen. Mit Schreiben vom 9. 3. 2007 forderte der Ast. die Ag. auf, binnen eines Monats einen gemeinsamen Schiedsrichter zu benennen. Die Ag. weigerten sich und bestellten stattdessen jeder einen eigenen Schiedsrichter. Gegenstand des beabsichtigten Schiedsverfahrens soll eine Klage des Ast. gegen die Ag. auf Zahlung von knapp 200000 Euro als Gesamtschuldner sowie gegen jeden Ag. einzeln auf Zahlung eines Betrags aus der Auseinandersetzungsbilanz, auf Auskunft und auf Ersatz des anteiligen Zinsaufwands hinsichtlich eines Darlehens für den Ankauf eines Grundstücks sein, wobei zwischen dem Ast. und den Ag. streitig ist, ob der letztgenannte Anspruch der Schiedsvereinbarung unterfällt. Der Senat hat das Amt der bisher benannten vier Schiedsrichter für beendet erklärt und zwei Richter am KG zu Schiedsrichtern bestellt.

1. Antrag auf Bestellung eines gemeinsamen Schiedsrichters für die Ag. Der Antrag ist gem. §§ 1062 I Nr.1, 1035 III 3 ZPO zulässig und mit der Maßgabe begründet, dass gem. §§ 1035 III 3, 1034 II ZPO auch für den Ast. ein Schiedsrichter zu bestellen ist.
a) Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung. Die im Sozietätsvertrag vom 15. 10. 1998 unter § 26 zwischen den Parteien vereinbarte Schiedsklausel ist gem. § 1029 ZPO wirksam. Der Senat folgt insoweit den zutreffenden Entscheidungsgründen des Urteils des 14. Senats des KG vom 12. 12. 2006, auf die verwiesen wird. Dass die Schiedsvereinbarung noch von dem Abschluss eines Schiedsvertrags abhängig sein sollte, ist auch angesichts des Zusatzes „gemäß dem gesondert geschlossenen Schiedsvertrag” nicht ersichtlich, denn nach dem Wortlaut der Regelung sollten Streitigkeiten unter den Partnern über Rechte oder Pflichten aus dem Sozietätsvertrag unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs endgültig und bindend von einem Schiedsgericht entschieden werden. Da die Schiedsvereinbarung den notwenigen Inhalt enthält, würde selbst die Unwirksamkeit aller sonstigen fakultativen Verfahrensvereinbarungen nicht nach § 139 BGB automatisch zur Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung führen. Diese bleibt im Zweifel vielmehr bestehen, für die Konstituierung des Schiedsgerichts und dessen Verfahren gelten dann die gesetzlichen Regeln (Zöller/Geimer, ZPO, 26. Aufl., § 1029 Rdnr. 31). Gleiches muss für den Fall eines beabsichtigten, dann aber nicht geschlossenen Schiedsvertrags gelten. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass den rechtskundigen Parteien des Sozietätsvertrags bekannt sein musste, dass die Schiedsvereinbarung auch ohne weitere zusätzliche Vereinbarung Rechtswirksamkeit entfalten würde. Es wäre ihnen unbenommen geblieben, die Schiedsklausel eindeutig von dem Abschluss eines Schiedsvertrags im Sinne einer Bedingung abhängig zu machen.
b) Zulässigkeit einer Mehrparteienschiedsgerichtsbarkeit. Da die Bet. keine Vereinbarung über die Anzahl der Schiedsrichter getroffen haben, ist die Anzahl der Schiedsrichter gem. § 1034 I 2 ZPO drei. Zwar haben die Ag. zutreffend darauf hingewiesen, dass die Regelungen des 10. Buches der ZPO ein Mehrparteienschiedsgerichtsverfahren nicht vorsehen. Der BGH hat es in seinem Urteil BGHZ 132, 278 = NJW 1996, 1753 (zur Schiedsfähigkeit von Gesellschafterbeschlüssen) abgelehnt, das schiedsrichterliche Verfahren insoweit im Rahmen richterlicher Rechtsfortbildung zu regeln und auf den Gesetzgeber verwiesen. In Kenntnis dieser Entscheidung hat der Gesetzgeber aber wiederum bei der Neufassung der ZPO zum 1. 1. 1998 bewusst keine Regelung getroffen, um die Problematik „angesichts ihrer Vielschichtigkeit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht weiterhin der Lösung durch die Rechtsprechung unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls” zu überlassen (Erl. d.Reg.-Begr. zu § 1030 I 1 ZPO, BT-Dr 13/5274, S. 35). Daher obliegt es der Rechtsprechung, im Einzelfall unter Auslegung der vertraglichen Regelung der Parteien eine Entscheidung zu treffen. Bei der Bildung eines Dreierschiedsgerichts gem. § 1034 I 2 ZPO könnte das Recht der Parteien, die sich zu mehreren auf einer Seite befinden, auf jeweilige Ernennung eines eigenen Schiedsrichters beeinträchtigt sein, das nur dann eingeschränkt werden darf, wenn ein solcher Eingriff aus einer besonderen Rechtslage heraus gerechtfertigt ist. Die gesetzlich vorgesehene Parteiernennung würde auch zu einem prozessualen Übergewicht der Einzelpartei führen, die, weil sie „ihren” Schiedsrichter frei ernennen könnte, einen ungleich größeren Einfluss auf die Besetzung des Schiedsgerichts hätte als die sich aus mehreren Personen zusammensetzende Gegenpartei, die gezwungen wäre, sich auf einen gemeinschaftlichen Schiedsrichter zu einigen bzw. einen zwangsbestellten Schiedsrichter zu akzeptieren, sofern eine Einigung nicht herbeigeführt werden kann. Eine Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Parteien bei der Bildung des Schiedsgerichts ist aber dann nicht verletzt, wenn die Parteien mit der Durchführung eines solchen Schiedsverfahrens einverstanden sind, wobei ein dahingehender Parteiwille, sofern er nicht ausdrücklich geäußert wurde, durch Auslegung der Schiedsvereinbarung zu ermitteln ist (Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl., Kap. 10 Rdnrn. 14f.; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 22. Aufl., § 1034 Rdnr. 21; Berger, RIW 1993, 702). So kann bei einem multilateralen Vertrag,der lediglich eine Standardschiedsklausel enthält, auf eine stillschweigende Vereinbarung eines Mehrparteienschiedsverfahrens geschlossen werden, wenn die Parteien voraussehen konnten und mussten, dass aus der Vertragsbeziehung entstehende Streitigkeiten nicht in angemessener Weise durch jeweils bilaterale Schiedsverfahren zu entscheiden wären (Schwab/Walter, Kap. 10 Rdnrn. 14f.; Berger, RIW 1993, 702 [705]). Im vorliegenden Fall haben die Parteien des Sozietätsvertrags bewusst die Streitigkeiten unter den Partnern über Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag und damit auch bei einer Auseinandersetzung der Sozietät ausdrücklich der Schiedsgerichtsbarkeit unterstellt. Es musste ihnen als Rechtsanwälten daher klar sein, dass in diesem Falle auf einer Seite die Sozietät bzw. die verbleibenden Gesellschafter und auf der anderen Seite die ausscheidenden Gesellschafter beteiligt sein konnten, die nur einen Schiedsrichter bestellen durften. Es würde jedoch Treu und Glauben und dem Prinzip der prozessualen Waffengleichheit (vgl. Cour de Cassation, RevArb 1992, 470 = BB 1992 Beil Nr. 15, 27) widersprechen, wenn die auf einer Seite des Verfahrens allein stehende Partei auf ihrem Ernennungsrecht besteht, während zugleich die auf der anderen Seite stehenden Personen gezwungen sind, einen gemeinsamen Schiedsrichter hinzunehmen. Es ist daher eine Korrektur über § 1034 II ZPO in der Weise herbeizuführen, dass in den Fällen, in denen keine notwendige Streitgenossenschaft vorliegt und sich die Beteiligten – wie hier vorliegend – auf einer Seite in einem mehrseitigen Konflikt befinden und sich nicht auf einen Schiedsrichter einigen können, die Benennung beider Schiedsrichter durch das Gericht erfolgt (vgl. auch OLG Frankfurt a.M., SchiedsVZ 2006, 219; Stein/Jonas/Schlosser, § 1034 Rdnr. 17; Münch, in: MünchKomm-ZPO, 2. Aufl., § 1035 Rdnr. 35; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 66. Aufl., § 1035 Rdnr. 7; Musielak/Voit, ZPO, 5. Aufl., § 1035 Rdnr. 7; Lachmann, Hdb.f. die Schiedsgerichtspraxis, 3. Aufl., Kap. 29, Rdnr. 2820). Soweit die Ag. zu 3 der Auffassung ist, die Durchführung des Schiedsverfahrens beeinträchtige sie in ihren Rechten, da sie beabsichtige, Widerklage gegen hier nicht beteiligte Gesellschafter zu erheben, kann auch dieser Einwand nicht greifen. Nach § 1046 III ZPO ist die Widerklage im Schiedsverfahren zulässig. Nach neueren Tendenzen in der Literatur und der Rechtsprechung des Internationalen Schiedsgerichtshofs der ICC ist auch eine Widerklage gegen einen Dritten im Schiedsverfahren möglich, wenn die bisherigen Parteien und die neu einzubeziehende Partei von derselben Schiedsvereinbarung gebunden sind (Kleinschmidt, SchiedsVZ 2006, 142 [145f.]). Dass es auch um die Geltendmachung von Ansprüchen geht (Grundstück), die unter Umständen nicht der Schiedsklausel unterfallen, vermag die grundsätzliche Auseinandersetzung der Sozietät in einem Schiedsverfahren nicht auszuschließen. Über die Frage der Geltung der Schiedsklausel für die Ansprüche betreffend das Grundstück hat das Schiedsgericht gem. § 1040 II, III ZPO zu befinden; gegen einen Zwischenentscheid, wonach sich das Schiedsgericht für zuständig hält, ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. § 1040 III 2 ZPO zulässig. (…)

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