Home Gerichtsentscheidung OLG Dresden, Beschluss v. 07.12.2007, 11 Sch 8/07 | Schiedsverfahren: Unwirksame Schiedsvereinbarung wegen Benachteiligung

OLG Dresden, Beschluss v. 07.12.2007, 11 Sch 8/07 | Schiedsverfahren: Unwirksame Schiedsvereinbarung wegen Benachteiligung

by Jan Dwornig
Eine Schiedsklausel die eine Partei maßgeblich benachteiligt ist unwirksam

Relevante Normen:

§ 1061 ZPO

Nichtamtlicher Leitsatz:

Sachverhalt:

Die Antragstellerin ist eine niederländische Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die in Europa als Franchisegeberin für gastronomische Betriebe auftritt, welche Sandwiches und Salate unter dem Markennamen „S.“ vertreibt. Der Antragsgegner ist Franchisenehmer für eine solche gastronomische S.-Einrichtung in M. Die Parteien haben den Franchisevertrag am 31.05.2005 geschlossen (Anlage 1 zum Schriftsatz des Antragstellervertreters vom 03.10.2007). Unter Ziffer 10 c des Vertrages haben die Parteien eine Schiedsklausel vereinbart. In der deutschen Übersetzung (der verbindliche Vertragstext ist der englische) heißt es dort: „… Alle Streitfälle, die dieser Vertrag vorsieht, werden unmittelbar einem Schiedsgericht vorgelegt. … Die Schiedsgerichtsbarkeit findet entsprechend der Schiedsgerichtsordnung der UN-Kommission für internationales Handelsrecht (UNCITRAL-Schiedsgerichtsordnung) statt, ausgeübt durch das International Centre for Dispute Resolution, einem Mitglied der American Arbitration Association, bei einer in New York, USA abzuhaltenden mündlichen Verhandlung. Das Schiedsverfahren findet in englischer Sprache statt und wird von einem Einzelschiedsrichter entschieden. …“ Im englischen Text ist nicht, wie die deutsche Übersetzung nahe legt, das International Centre for Dispute Resolution dasjenige Schiedsgericht, was ausschließlich Streitigkeiten aus dem Vertrag zu entscheiden hat, das International Centre for Dispute Resolution ist nur als Beispiel für ein mögliches Schiedsgericht genannt („… such as the International Centre for Dispute Resolution …“). Der Ort des Schiedsgerichtsverfahrens ist mit New York verbindlich festgelegt, auch im englischen Text. Der Antragsgegner hatte mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen, weil in der unmittelbaren Umgebung seines S.-Restaurants eine umfangreiche Straßenbaustelle den Kundenverkehr behinderte. Er meinte, die Antragstellerin müsse auf diese Situation Rücksicht nehmen und zahlte eine zeitlang die geschuldeten Franchisegebühren nicht. Die Antragstellerin versuchte vergeblich, den Konflikt im Gesprächsverfahren zu lösen und rief danach als Schiedsgericht das American Dispute Resolution Centre, Inc. in Glastonbury an. Der Einzelschiedsrichter J. R. G. erließ am 02.04.2007 den Schiedsspruch, dessen Vollstreckbarerklärung die Antragstellerin begehrt. Der Schiedsspruch findet sich in der Anlage zur Antragsschrift vom 18.07.2007. Der Antragsgegner beantragt, den Schiedsspruch nicht für vollstreckbar zu erklären, sondern im Gegenteil festzustellen, dass er in Deutschland nicht anerkannt werden könne. Der Antragsgegner meint, der ganze Vertrag und die Schiedsklausel im besonderen benachteilige ihn unangemessen. Die wesentlichen Bestimmungen des Vertrages, der unstreitig ein vorformulierter und in einer Vielzahl von Fällen verwendeter Text der Antragstellerin ist, sei als Allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam. Der Schiedsspruch könne auch deswegen nicht anerkannt werden, weil er in wesentlichen Punkten gegen den deutschen ordre public verstoße. Die Einzelheiten finden sich im Schriftsatz des Antragsgegners vom 31.08.2007. Die Antragstellerin verteidigt den Vertragstext: Die Antragstellerin habe den Vertrag unter die Herrschaft des Liechtensteinischen Rechts gestellt, weil die amerikanische Muttergesellschaft aus steuerlichen Gründen die Zentrale außeramerikanische Niederlassung in Liechtenstein angesiedelt habe. Deswegen sei die Vereinbarung des Liechtensteinischen Rechts für sie besonders praktisch gewesen. Die europäische Franchisegeberin sei in den Niederlanden gegründet worden, weil das wiederum unter steuerlichen Gesichtspunkten am günstigsten gewesen sei. New York sei als Ort der Schiedsgerichtsverhandlung bestimmt worden, weil dies für die amerikanische Muttergesellschaft am einfachsten gewesen sei. Mit keiner dieser Bestimmungen habe man den Antragsgegner besonders benachteiligen oder ihn um die Wahrung seiner Rechte bringen wollen (Ausführungen des Antragstellervertreters in der mündlichen Verhandlung vom 14.11.2007). Diese Argumentation hat die Antragstellerin im Schriftsatz vom 03.12.2007 noch einmal vertieft.

Gründe:

Die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs war zu versagen, weil der Antragsgegner den Beweis erbracht hat, dass die Vereinbarung nach dem Recht, dem die Parteien sie unterstellt haben, ungültig ist.
Die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs richtet sich nach Artikel 5 des New Yorker UN-Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.07.1958, so bestimmt es § 1061 ZPO. Die Parteien haben ihren Vertrag dem Liechtensteinischen Recht unterstellt, das bestimmt Ziffer 13 des Vertrages. Es kann dahinstehen, ob die Geltung Liechtensteinischen Rechts in Allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam vereinbart werden konnte; denn die Antragstellerin muss sich jedenfalls an ihren eigenen AGB festhalten lassen. In Liechtenstein gilt das Österreichische Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch. In § 879 Abs. 3 des ABGB heißt es: „Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, ist jedenfalls nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles einen Teil gröblich benachteiligt.“
Diese Vorschrift ist auf den vorliegenden Vertrag anwendbar, auch wenn der Antragsgegner mit Abschluss des Vertrages nicht mehr Verbraucher, sondern Unternehmer ist. Denn Absatz 3 verdeutlicht nur „bruchstückhaft“ den allgemeinen „Grundsatz in Form einer Generalklausel“, die Absatz 1 des § 879 normiert: „Ein Vertrag, der … gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.“ (vgl. Krejci in: Rummel, Kommentar zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch, 1990, Anm. 2 zu § 897). Die Vorschrift gilt für privatrechtliche Verträge aller Art (a. a. O., Rdn. 4). Die Schiedsklausel ist eine Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt. Sie benachteiligt den Antragsgegner unter Berücksichtigung der Umstände des Falles gröblich. Die Antragstellerin bildet ihren Willen nicht autonom in Amsterdam, sondern wird von der US-Amerikanischen Zentrale D. A. Inc. gesteuert. Das erklärt ihr Interesse am Sitz des Schiedsgerichts in New York, aber es rechtfertigt nicht, den Antragsgegner zur mündlichen Verhandlung nach New York zu zwingen. Die amerikanische Muttergesellschaft kontrolliert weltweit über 20.000 Franchisenehmer. Das gibt ihr eine drückende Überlegenheit gegenüber dem Antragsgegner. Für die Antragstellerin ist es ein Leichtes, jeden Gerichtsstand im Umkreis des Antragsgegners zu erreichen. Sie verfügt über ein Netz von Betreuern in Deutschland und über einen mit ihrer Vertretung ständig beauftragten Rechtsanwalt. Für den Antragsgegner ist es ungleich schwieriger, einen Termin in … wahrzunehmen und einen amerikanischen Anwalt zu beauftragen, der ihn dort angemessen vertreten kann. Auf den Preis des Flugtickets kommt es dabei nicht an. Die Orientierungsschwierigkeiten des Antragsgegners geben bei der Betrachtung den Ausschlag. Der Franchisevertrag selbst wird in Deutschland abgewickelt. Die Lizenz steht zwar der amerikanischen Muttergesellschaft zu, wird aber von der niederländischen Tochterfirma an den einzelnen Franchisenehmer in Europa vergeben. Sämtliche sonstigen Vertragsleistungen werden von beiden Seiten in Deutschland erbracht. Außer der Bequemlichkeit für die Muttergesellschaft der Antragstellerin gibt es keinen nachvollziehbaren Grund dafür, dass ein Franchisenehmer, der in M. Sandwiches und Salate verkauft, zur Lösung seiner Konflikte mit der Antragstellerin nach New York reisen muss. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Der Streitwert setzt sich folgendermaßen zusammen: Für Ziffer 3 des Schiedsspruchs entspricht er dem zu vollstreckenden Betrag von umgerechnet 10.578,52 EUR. Für Ziffer 5 entspricht er dem Betrag, der als Vertragsstrafe von 250,00 $ pro Tag zwischen Schiedsspruch und mündlicher Verhandlung im vorliegenden Verfahren anfallen soll. Das sind 250,00 $ x 226 Tage = 56.560,00 $. Das entspricht 43.414,61 EUR. Ziffer 6 ist mit dem Wert von Ziffer 5 abgegolten. Für Ziffer 7 ist der Wert 10.000,00 $. Das entspricht 7.684,00 EUR.
Die Kosten des Schiedsverfahrens machen zusammen 1.330,00 $ aus, das entspricht 10.020,49 EUR. Zusammen sind das 62.697,62 EUR.

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