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Mit dem Staat im Gericht: Investorschiedsgerichtsverfahren

by Jan Dwornig
Blogartikel über Investitionsschiedsgerichtsverfahren

Investitionsschiedsgerichtsverfahren sind ein rechtliches Instrument, das Investoren die Möglichkeit bietet, Streitigkeiten mit einem Gaststaat außerhalb der nationalen Gerichtsbarkeit des Staates zu lösen. Diese Verfahren werden in der Regel von internationalen Schiedsgerichten durchgeführt, die von den Parteien des Streits oder von einer unabhängigen dritten Organisation ernannt werden. Die Entscheidungen dieser Schiedsgerichte sind für die Parteien bindend und können in den meisten Ländern wie ein Gerichtsurteil vollstreckt werden.

Schutz des Eigentums des Investors

Der Schutz von Auslandsinvestitionen steht im Zentrum des internationalen Investitionsschutzes. Historisch gewachsen aus dem Fremdenrecht, hat sich dieser Bereich besonders durch bilaterale und multilaterale Verträge entwickelt. Wesentliche Abkommen wie das von der Weltbank initiierte MIGA-Abkommen und das ICSID-Abkommen von 1965, bieten Rahmenwerke zur Absicherung von Investitionsrisiken und zur Schiedsgerichtsbarkeit bei Investitionsstreitigkeiten. Das Energiesektor-spezifische Abkommen der Energie-Charta bildet eine Ausnahme, indem es materiell-rechtliche Normen zum Investitionsschutz definiert, wohingegen die meisten anderen Abkommen sich auf prozedurale Aspekte konzentrieren.

Welthandelsordnung als Rechtsgrundlage

Die Welthandelsordnung basiert auf dem 1994 in Marrakesch abgeschlossenen Übereinkommen, das ein umfassendes, völkerrechtlich bindendes Regelwerk für den internationalen Handel etablierte. Drei Säulen – GATT 1994, GATS und TRIPS, ergänzt durch 17 Zusatzabkommen – bilden das Fundament dieser Ordnung, die durch ein effektives Streitschlichtungssystem verstärkt wird. Prinzipien wie Meistbegünstigung, Nichtdiskriminierung und fairer Handel sind zentral, wobei das Streitschlichtungssystem eine Schlüsselrolle in der Durchsetzung dieser Prinzipien spielt.

Entwicklungsvölkerrecht

Das Entwicklungsvölkerrecht, welches sich ursprünglich mit der Schaffung einer neuen Weltwirtschaftsordnung befasste, hat sich zunehmend in Richtung des Prinzips der „gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortlichkeiten“ entwickelt. Dies bedeutet, dass Entwicklungsländer grundsätzlich denselben Pflichten unterliegen wie Industriestaaten, jedoch mit der Unterstützung durch letztere bei der Erfüllung dieser Pflichten rechnen können. Instrumente wie vergünstigte Kredite des IWF und der Weltbank spielen hierbei eine wichtige Rolle, ebenso wie Rohstoffabkommen und die Unterstützung für eine nachhaltige Infrastrukturentwicklung.

Das internationale Wirtschaftsrecht umfasst eine komplexe Mischung aus Abkommen und Prinzipien, die den globalen Handel, den Schutz von Investitionen und die Entwicklung von Volkswirtschaften formen. Durch multilaterale und bilaterale Abkommen wird ein Rahmen geschaffen, der nicht nur wirtschaftliche Interessen schützt, sondern auch auf die Herausforderungen und Bedürfnisse von Entwicklungs- und Schwellenländern eingeht. Dieses rechtliche Fundament ist entscheidend für eine gerechte und nachhaltige globale Wirtschaft.

Zweck und Vorteile

Der Hauptzweck von Investitionsschiedsgerichtsverfahren ist die Förderung des internationalen Investitionsschutzes. Indem sie einen rechtlichen Rahmen für die Beilegung von Streitigkeiten bieten, tragen diese Verfahren dazu bei, das Vertrauen internationaler Investoren in ausländische Märkte zu stärken. Dies kann wiederum zu mehr ausländischen Direktinvestitionen führen, die für die wirtschaftliche Entwicklung vieler Länder entscheidend sind.

Ein weiterer Vorteil ist die Neutralität und Expertise der Schiedsgerichte. Im Gegensatz zu nationalen Gerichten, die als voreingenommen gegenüber ausländischen Investoren wahrgenommen werden könnten, gelten internationale Schiedsgerichte als unparteiisch. Zudem verfügen die Schiedsrichter oft über spezialisierte Kenntnisse im internationalen Wirtschaftsrecht, was zu fundierteren und gerechteren Entscheidungen führen kann.

Berühmte und aktuelle Investorschiedsgerichtsverfahren

Viele Verfahren finden bewusst nicht im Rampenlicht der Öffentlichkeit statt, doch schaffen es ab und an besonders spannende oder kreative Verfahren in die Presse. So z.B. das Verfahren Philip Morris gegen den australischen Staat.

In einem bemerkenswerten juristischen Kampf hat der Tabakkonzern Philip Morris eine Niederlage gegen die australische Regierung erlitten. Im Kern der Auseinandersetzung stand das australische Gesetz von 2011, das vorschreibt, dass Zigaretten in neutralen Verpackungen ohne Markenlogos zu verkaufen sind, um den Tabakkonsum einzudämmen. Philip Morris hatte gegen dieses Gesetz auf Basis eines Handelsabkommens zwischen Hongkong und Australien geklagt, indem es argumentierte, dass die Regelung seine Markenrechte verletze. Das Schiedsgericht wies die Klage jedoch zurück, da es sich für den Fall als nicht zuständig erklärte.

Die Entscheidung wurde von der australischen Regierung positiv aufgenommen, insbesondere von der stellvertretenden Gesundheitsministerin Fiona Nash, die auf die schädlichen Auswirkungen des Rauchens auf die Gesundheit hinwies. Dieser Fall wurde oft im Kontext der Diskussionen um das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP genannt, da Kritiker befürchten, dass solche Schiedsgerichte die Macht haben könnten, demokratisch verabschiedete Gesetze zu untergraben.

Die Strategie von Philip Morris, eine Niederlassung in Hongkong zu gründen, um von dort aus gegen das australische Gesetz vorzugehen, wurde als Beispiel für die potenzielle Zweckentfremdung von Schiedsgerichtsverfahren kritisiert. Henning Klodt vom Institut für Weltwirtschaft (IfW) wies darauf hin, dass der Fall zeigt, wie Unternehmen internationale Schutzabkommen nutzen könnten, um nationale Gesetzgebungen herauszufordern.

Dieser Fall unterstreicht die komplexen Spannungsfelder zwischen internationalen Handelsabkommen, nationaler Gesetzgebung und dem Schutz der öffentlichen Gesundheit. Er zeigt auf, wie wichtig eine sorgfältige Ausgestaltung und Anwendung solcher Abkommen ist, um Missbrauch zu verhindern und die Souveränität nationaler Gesetzgebungen zu wahren.

Auf der Seite des Permanent Court of Arbitration sind die aktuell laufenden Verfahren gelistet, an denen u.a. auch einige deutsche Firmen beteiligt sind:

  • Zeph Investments Pte. Ltd. v. The Commonwealth of Australia (II)
  • Amulsar Investor Ventures LLC v Republic of Armenia
  • Mrs. Mimoza Ndroqi v. Republic of Albania
  • African Asset Finance Company Holdings B.V. (The Netherlands) v. Federal Democratic Republic of Ethiopia
  • Zeph Investments Pte. Ltd. v. The Commonwealth of Australia
  • 1. Menashe Levy (Israel) 2. Tidhar – Excavation and Earth Moving Ltd. (Israel) v. The Federal Democratic Republic of Ethiopia
  • Sea Search-Armada, LLC (USA) v. The Republic of Colombia
  • Junefield Gold Investments Limited v. The Republic of Ecuador
  • Banreal Holding, S.L. (España) c. República Bolivariana de Venezuela
  • Bacilio Amorrortu (USA) v. The Republic of Peru
  • Lynton Trading LTD. (United States of America) v. The Republic of Ecuador
  • Mr. Dieter Emil Schelling; (2) Ms. Flora Netiwe Schelling; (3) Ras Bamba Hotel Limited; (4) Ras Bamba Sailing Club Limited; and (5) Oyster Camp Limited V. The United Republic of Tanzania
  • Mr. Finn Von Würden Petersen v. The Government of the United Republic of Tanzania
  • Blue Sea Holding LLC and Oceans Group International SA v The Republic of Panama
  • Mohammad Reza Khalilpour Bahari (Iran) v. The Republic of Azerbaijan
  • Primesouth International Offshore S.A.L. (Lebanon) v. The Republic of Iraq
  • R.S.E. Holdings AG (Switzerland) v. Republic of Latvia
  • CC/Devas (Mauritius) Ltd., Telcom Devas Mauritius Limited, and Devas Employees Mauritius Private Limited v. Republic of India
  • Mohammad Reza Dayyani, Abbas Dayyani, Mohammad Hossein Dayyani, Ali Dayyani, Fatemeh Dayyani and Kosar Dayyani v. Republic of Korea
  • 1. Stucky Ltd (Switzerland), 2. Bernard Gruppe ZT GmbH (Austria) v. The Hashemite Kingdom of Jordan
  • Deutsche Lufthansa AG (Germany) v. The Bolivarian Republic of Venezuela
  • María de la Concepción Felipe Velázquez, (2) Daniel Nava Felipe and (3) Maitte Josefina Nava Felipe v. Bolivarian Republic of Venezuela
  • Yves Martine Garnier v. The Dominican Republic
  • Liberty Seguros, Compañía de Seguros y Reaseguros S.A. (Spain) v. Bolivarian Republic of Venezuela
  • Holcim Investments (Spain), S.L. v. the Republic of Ecuador
  • Mr. Goh Chin Soon (Singapore) v. People’s Republic of China
  • Windstream Energy LLC (USA) v. The Government of Canada
  • Zurich Insurance Company Ltd v. Plurinational State of Bolivia
  • GPIX LLC v. The Republic of India
  • Patel Engineering Limited (India) v. The Republic of Mozambique
  • Aecon Construction Group Inc. (Canada) v. The Republic of Ecuador
  • Trasta Energy Limited (United Arab Emirates) v. The State of Libya
  • Akgun Insaat Makina Sanayii ve Dis Ticaret Ltd. Sti. (Turkey) v. Federal Democratic Republic of Ethiopia
  • Nord Stream 2 AG v. The European Union
  • Korea Western Power Company Limited (Republic of Korea) v. The Republic of India
  • The Renco Group, Inc. v. The Republic of Peru
  • Schindler Holding AG (Switzerland) v. Republic of Korea
  • Jason Yu Song (United Kingdom) v. People’s Republic of China
  • 1. Mason Capital L.P. (U.S.A.) 2. Mason Management LLC (U.S.A.) v. Republic of Korea
  • Khaitan Holdings (Mauritius) Limited v. Republic of India
  • 1. The Estate of Julio Miguel Orlandini-Agreda, 2. Compañía Minera Orlandini Ltda. v. The Plurinational State of Bolivia
  • JSC CB PrivatBank v. The Russian Federation
  • Aeroport Belbek LLC and Mr. Igor Valerievich Kolomoisky v. The Russian Federation
  • Natland Investment Group N.V. (The Netherlands), (2) Natland Group Limited (Cyprus), (3) G.I.H.G. Limited (Cyprus), (4) Radiance Energy Holding S.à.r.l. (Luxembourg) v. The Czech Republic
  • 1. Chevron Corporation and 2. Texaco Petroleum Company v. The Republic of Ecuador
  • Bilcon of Delaware et al v. Government of Canada

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