Home GerichtsentscheidungBGH BGH, Beschluss vom 06.02.2020, I ZB 44/19| Schiedsverfahren: Verhältnis Hauptvertrag zu Schiedsvereinbarung

BGH, Beschluss vom 06.02.2020, I ZB 44/19| Schiedsverfahren: Verhältnis Hauptvertrag zu Schiedsvereinbarung

by Jan Dwornig
Verhältnis Hauptvertrag Schiedsvereinbarung

Vorinstanz:

OLG Köln, Beschluss v. 10.05.2019, 19 SchH 5/19 (nicht veröffentlicht)

Relevante Normen:

§ 1029 ZPO
§ 133 BGB
§ 154 I S. 1 BGB
§ 157 BGB

Nichtamtlicher Leitsatz:

Haben die Parteien sich über den Hauptvertrag verständigt und diesen in Vollzug gesetzt, haben jedoch die vertragliche Vereinbarung zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung nicht umgesetzt, so ist der Hauptvertrag dennoch wirksam. Die Zweifelregelung des § 154 I BGB greift nicht. Die Schiedsabrede ist wirksam, wenn es Anhaltspunkte gibt, dass die Parteien den staatlichen Rechtsweg ausschließen wollten und lediglich Einzelheiten ergänzend vereinbart werden sollten.

Sachverhalt:

Die Antragsgegnerin und die Antragstellerin zu 1 waren Gesellschaftereiner im Jahr 2007 als T. C. GmbH & Co. KG gegründeten Gesellschaft. Die Antragstellerin zu 1 hat ihre Anteile vom Antragsteller zu 2 erworben. Am 31. Dezember 2015 schlossen die Antragstellerin zu 1 und die Antragsgegnerin eine Auseinandersetzungsvereinbarung, die eine Auflösung/Beendigung der Gesellschaft vorsah. Die Antragsgegnerin will Ansprüche gegen die Antragsteller wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit der Auflösung/Beendigung der Gesellschaft geltend machen. Sie hat mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2018 einen Schiedsrichter benannt und zugleich die Antragsteller aufgefordert, ihrerseits einen Schiedsrichter zu benennen. In einem gesonderten Verfahren begehrt die Antragsgegnerin die Bestellung eines Schiedsrichters für die Antragsteller.

Der Gesellschaftsvertrag enthält folgende Vereinbarung:

§ 20 Schlussbestimmungen

(4) Für sämtliche aus diesem Vertrag, seine Ausführung und Auslegung und über alle aus dem Gesellschaftsverhältnis sich ergebenden Streitigkeiten zwischen der Gesellschaft und einzelnen Gesellschaftern oder zwischen den Gesellschaftern soll unter Ausschluss des ordentlichen Gerichtsweges ein Schiedsgericht entscheiden. Hierüber werden die Parteien einen gesonderten Schiedsvertrag vereinbaren. Im Übrigen wird als Gerichtsstand Köln, soweit dies zulässig vereinbart werden kann, festgelegt.

Der in § 20 Abs. 4 Satz 2 des Gesellschaftsvertrags vorgesehene gesonderte Schiedsvertrag ist nicht abgeschlossen worden. Die Antragsteller sind der Auffassung, der Gesellschaftsvertrag enthalte keine wirksame Schiedsklausel und haben beantragt, die Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens festzustellen. Das Oberlandesgericht hat den Antrag zurückgewiesen.

Das Oberlandesgericht hat angenommen, in § 20 Abs. 4 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags sei wirksam eine Schiedsklausel im Sinne von § 1029 ZPO vereinbart worden. Dass die Parteien den in Satz 2 vorgesehenen gesonderten Schiedsvertrag nicht abgeschlossen hätten, stehe der Wirksamkeit der Vereinbarung nicht entgegen. Zu unterscheiden sei, ob die Parteien in Satz 1 lediglich einen Vorvertrag geschlossen oder sich bereits mit dem dafür erforderlichen Rechtsbindungswillen darauf geeinigt hätten, den Weg zu den staatlichen Gerichten auszuschließen. Dafür, dass die Klausel als nicht bindend gemeint gewesen sei, sei nichts vorgetragen und auch sonst nichts ersichtlich. Insbesondere sei nichts dafür ersichtlich, dass ein gesonderter Schiedsvertrag deshalb nicht abgeschlossen worden wäre, weil die Parteien davon ausgegangen wären, sich noch nicht bindend einer Schiedsvereinbarung unterworfen zu haben. Vielmehr sei davon auszugehen, dass dies aus Nachlässigkeit oder im Vertrauen darauf unterblieben sei, die wesentlichen Punkte bereits geregelt zu haben. Die Klausel sei daher – wie regelmäßig – dahin zu verstehen, dass lediglich ergänzende Regelungen Gegenstand des Schiedsvertrags hätten sein sollen. Die geltend gemachten Ansprüche fielen unter die Schiedsklausel.

Gründe:

Die gegen diese Beurteilung gerichtete Rechtsbeschwerde der Antragsteller ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 1065 Abs. 1 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 2 Fall 1 ZPO). Sie ist aber unzulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO).

1. Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, die Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erfordere eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

a) Die Rechtsbeschwerde meint, es liege eine Divergenz vor. Das Oberlandesgericht habe sich einem Beschluss des Kammergerichts vom 28. April (NJW 2011, 2978 [juris Rn. 3]) angeschlossen, in dem der Rechtssatz aufgestellt worden sei, die Durchführung des Hauptvertrags spreche dafür, dass die Schiedsabrede trotz des Vorbehalts im Zeitpunkt ihres Abschlusses, noch weitere Vereinbarungen zur Schiedsabrede treffen zu wollen, ausreiche, um der Schiedsabrede zum Durchbruch zu verhelfen. Das Oberlandesgericht Hamm habe demgegenüber in einem Beschluss vom 18. Juli 2007 (8 Sch 2/07, juris Rn. 33) den Rechtssatz aufgestellt, die Durchführung des Hauptvertrags allein reiche nicht, um der Schiedsabrede zur Geltung zu verhelfen, wenn in deren Rahmen noch weitere Vereinbarungen hätten niedergelegt werden sollen.

b) Damit kann die Rechtsbeschwerde nicht durchdringen. In den zitierten Entscheidungen werden die behaupteten Rechtssätze nicht aufgestellt. Zudem hat das Oberlandesgericht die Entscheidung des Kammergerichts zwar zitiert, sich aber dem angeblichen Rechtssatz des Kammergerichts nicht angeschlossen.

Sowohl das Kammergericht als auch das Oberlandesgericht Hamm haben die in ihren Verfahren maßgeblichen Schiedsklauseln gemäß §§ 133, 157 BGB ausgelegt und sind zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangt. Abstrakte Rechtssätze haben sie dabei nicht aufgestellt. Die unterschiedliche Auslegung unterschiedlicher Vertragsklauseln begründet keine Divergenz.

Das Kammergericht hat ausgeführt, die Zweifelsregel des § 154 Abs. 1 Satz 1 BGB sei nicht anwendbar, wenn die Parteien sich trotz der noch offenen Punkte erkennbar vertraglich binden wollten. Eine solche Bindung hat es für den streitigen Sozietätsvertrag angenommen und dabei (insbesondere) auf die begonnene Durchführung des Vertrags abgestellt.

Das Oberlandesgericht Hamm hatte in seinem Verfahren eine Schiedsvereinbarung zu beurteilen, die vorsah, dass die Parteien sich einem Schiedsgericht „nach Maßgabe anliegender Schiedsurkunde, die Vertragsbestandteil ist“, unterwerfen (OLG Hamm, Beschluss vom 18. Juli 2007 – 8 Sch 2/07, juris Rn. 3). Bei der erforderlichen Auslegung hat es keine tragfähigen Anhaltspunkte für die Annahme gesehen, dass die Parteien sich auch ohne den noch offenen Punkt binden wollten. Der Aufrechterhaltung der Vereinbarung unter Geltung des dispositiven Gesetzesrechts stehe entgegen, dass der Inhalt der Vereinbarung dafür spreche, dass die Parteien die unveränderte Anwendung des Gesetzesrechts gerade nicht vereinbaren wollten. Es könne daher nicht von einem Bindungswillen betreffend die Schiedsabrede ungeachtet der fehlenden Schiedsurkunde ausgegangen werden (OLG Hamm, Beschluss vom 18. Juli 2007 – 8 Sch 2/07, juris Rn. 29). Der Umstand, dass der Hauptvertrag in Vollzug gesetzt worden sei, stehe dieser Beurteilung nicht entgegen. Daraus lasse sich nur der Schluss ableiten, dass der Vertrag mit den sonstigen Regelungen gelten sollte. Hinsichtlich der Schiedsabrede gebe es dagegen keine Äußerung oder Handlung der Parteien, die auf den übereinstimmenden Willen schließen ließe, die Schiedsabrede solle trotz Fehlens einer gesonderten Schiedsurkunde gelten (OLG Hamm, Beschluss vom 18. Juli 2007 – 8 Sch 2/07, juris Rn. 33).

Eine Divergenz lässt sich aus diesen Entscheidungen nicht ableiten, auch wenn der genaue Wortlaut der streitigen Schiedsklausel aus dem Beschluss des Kammergerichts nicht hervorgeht. Es handelt sich jeweils um eine tatgerichtliche Auslegung im Einzelfall.

Überdies hat sich das Oberlandesgericht mit dem Verweis auf die Entscheidung des Kammergerichts dem von der Rechtsbeschwerde behaupteten Rechtssatz nicht angeschlossen. Auch das Oberlandesgericht hat vielmehr allein die Schiedsvereinbarung ausgelegt und dabei auch nicht auf eine begonnene Durchführung des Hauptvertrags abgestellt.

2. Die Rechtssache erfordert auch keine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Fortbildung des Rechts.

a) Die Rechtsbeschwerde meint, die Anwendung der Vorschrift des§ 154 Abs. 1 Satz 1 BGB werde in Konstellationen, in denen noch ein gesonderter Schiedsvertrag geschlossen werden solle, mit der Floskel beiseite gewischt, die Klausel sei dahin zu verstehen, dass lediglich ergänzende Regelungen Gegenstand des Schiedsvertrags sein sollten. Die gesonderte Vereinbarung sei allerdings nicht zustande gekommen, so dass die Auslegungsregel einschlägig sei. Das Fehlen der ergänzenden Vereinbarung könne nicht mit dem Vollzug des Hauptvertrags überbrückt werden.

b) Auch damit kann die Rechtsbeschwerde die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde nicht erreichen. Die Voraussetzungen für eine Rechtsfortbildung liegen nicht vor. Die Frage, ob die Vertragsparteien trotz des Hinweises auf einen gesondert abzuschließenden Schiedsvertrag bereits eine wirksame Schiedsvereinbarung getroffen haben, ist eine Frage des Einzelfalls und von den Tatgerichten durch Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung der Bestimmung des § 154 Abs. 1 Satz 1 BGB zu ermitteln. Entscheidend ist, ob sich aus der Vereinbarung der Wille der Parteien ergibt, Rechtsstreitigkeiten aus einem bestimmten Rechtsverhältnis unter Ausschluss der staatlichen Gerichte einem Schiedsgericht zuzuweisen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 28. Februar 2012 – 17 U 72/11, juris Rn. 15 bis 19; OLG München, Beschluss vom 6. August 2015 – 34 SchH 3/15, juris Rn. 11; Voit in Musielak/Voit, ZPO, 16. Aufl., § 1029 Rn. 7; Saenger in Saenger, ZPO, 8. Aufl., § 1029 Rn. 7; Umbeck, GWR 2012, 153).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

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